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Wie du deine Emotionen wirklich veränderst statt sie nur zu regulieren

 
Nathan und ich waren gerade fünf Minuten auf dem Reitplatz und hatten die ersten Schritte Trab in unserer Interaktion hinzugenommen als Nathan ihn sah. Den Geist, der manchmal ganz ganz gaaanz weit hinterm Paddocktrail sein Unwesen treibt. Für das menschliche Auge aus dieser Entfernung nicht zu erkennen.

Dennoch, Nathan hatte ihn entdeckt und von da an war er vollkommen in seiner Wächter-Rolle. Ohren gespitzt, Kopf hoch erhoben patroullierte er am hinteren Reitplatzzaun.

Für ihn war der Geist sehr real und ich…ich denke, er hatte ganz vergessen, dass ich überhaupt noch da war 😁.

Ich hätte mir seine Aufmerksamkeit zurückholen können.

Ein bisschen Druck hier, ein paar Leckerchen da… Im Zweifelsfall das Halfter holen.

Das ist so eine Sache:
 

Wir wollen eine Beziehung auf Augenhöhe, aber wir SIND mit unseren Pferden nicht auf Augenhöhe. WIR haben Möglichkeiten. Sie nur dann, wenn wir es ihnen zugestehen.

 
Ich habe es gut sein lassen. Bin zu Jana und den anderen Pferden gegangen, die am anderen Ende des Reitplatzes standen und habe Nathan seinen Job machen lassen – was bei uns deshalb funktioniert, weil der Reitplatz mit zum Paddock gehört.

Irgendwann hat Jana Nathan abgeholt, nachdem die zwei noch sichergestellt hatten, dass der Geist nicht so schnell zu uns rüberkommen würde.

Und auf einmal ist mir aufgefallen, dass ich während dieser ganzen Situation nicht eine „negative“ Emotion durchlebte.

Ich war nicht enttäuscht, weil Nathan mir nicht das gab, was ich mir für diese Einheit vorgestellt hatte. Ich fühlte keine Niedergeschlagenheit, weil ich „abgeleht“ wurde. Ich hatte keine Sorge, dass etwas in unserem Training falsch lief. Ich verfiel nicht in Grübeleien, wie ich ihm mehr Sicherheit geben könnte. Der Gedanke an all die Insta-Girls, deren Pferde auf Knopfdruck funktionieren und scheinbar nicht von ihrer Seite weichen, machte mich nicht neidisch.

Ich war okay.

Sogar mehr als das. Zufrieden.

Zufrieden mit den fünf Minuten, die wir in Verbundenheit verbracht hatten. Zufrieden mit uns.

Das anzunehmen was ist, war gar keine Aufgabe mehr. Nichts, woran ich mich erinnern musste, um nicht in diesen Strudel an Gefühlen gezogen zu werden. Ich hatte es längst getan.

Ich war da angekommen, wo ich hin wollte. Frei von überzogenen Erwartungen. Nathans Bedürfnissen Raum gebend, ohne dabei den Eindruck zu haben, selbst etwas zu verlieren. Zufriedenheit.
 
 

Wie lassen wir los? Wie kommen wir dahin, dass wir okay sind mit Erfahrungen, die sich jetzt noch so schmerzlich, nervenaufreibend, belastend anfühlen?

 
Ja, es ist ein Prozess. Und es braucht Zeit.

Aber es hat nichts damit zu tun, einfach zu hoffen, dass es irgendwann weniger schwer wird. Es gibt ein paar Schritte, die du aktiv gehen kannst.

Das Ziel:
Eine mentale Grundlage für neue Erfahrungen erschaffen.
 
 

Warum brauchen wir eine mentale Grundlage?

Du kennst bestimmt den Spruch „Du siehst die Welt nicht so wie sie ist, sondern so wie du bist“. Wir alle sehen die Welt durch unsere individuellen Filter. Es gibt eine physische Realität, die in dem besteht was wirklich da ist. Und es gibt die Realität, die wir durch unsere Wahrnehmung und Interpretation erschaffen.

Der Spruch trifft es allerdings nicht ganz, denn auch „so wie du bist“ – also deine Identität oder Persönlichkeit – ist keine physische Realität, sondern eine kreierte Realität.

Woran du glaubst, was du an Erfahrungen in deiner Erinnerung hinterlegt hast, was du als wahr ansiehst, wie du über die Welt denkst: All das erschafft die Realität, so wie du sie wahrnimmst.

Und auf dieser Grundlage entstehen auch deine Emotionen.
 
 

Wie du deine emotionalen Erfahrungen erschaffst

Dein Gehirn entwirft ständig Vorhersagen und Interpretationen. Was wird als nächstes passieren? Wie ist das, was hier passiert einzuordnen? Und in diesem Kontext entstehen deine Emotionen.

Deine Emotionen sind deine unbewusste Reaktion auf die Schlussfolgerung, was gerade passiert.

Dein Pferd wendet sich von dir ab und du setzt das in einen Kontext, der besagt

⇢ du bist es nicht wert, dass man dir Aufmerksamkeit entgegenbringt
⇢ ihr habt eine schlechte Beziehung
⇢ du schaffst es einfach nicht, dein Pferd zu motivieren

und je nach Schlussfolgerung wird eine andere Emotion zum Vorschein kommen, in dem Versuch, mit deinem Erleben optimal umzugehen. Je nachdem, in welchen mentalen Kontext du das Geschehen einordnest, wirst du dich vielleicht unzulänglich, miserabel, traurig, frustriert, sorgenvoll oder enttäuscht fühlen.
 

Was du fühlst erschaffst du selbst, indem du die Situation in einen Kontext setzt. Was du fühlst ist deine Einordnung dessen, was gerade passiert.

 
Du erschaffst dein emotionales Erleben! Hauptsächlich natürlich unbewusst und automatisch. Aber ist es nicht dennoch faszinierend, wie individuell und flexibel unsere Erfahrungen sind?
 
 

Wenn wir unsere (emotionalen) Erfahrungen selbst erschaffen, müssten wir sie dann nicht auch verändern können?

 
Yess. Wir können unser Erleben verändern.

Natürlich nicht mit einem Fingerschnippen. „Du musst das nur positiv sehen“ ist ein Ratschlag, der im Tumult der eigenen Gefühle leider nicht funktioniert. Das Ziel besteht nicht darin, zu verändern was du jetzt gerade fühlst, sondern wie du ein Geschehen in Zukunft gedanklich einordnen wirst.

Um dein Erleben in Zukunft zu verändern, brauchst du neue Gedanken, neues Wissen, neue Überzeugungen. Diese mentalen Veränderungen werden dieselben Geschehnisse, die du vielleicht schon 100x mit deinem Pferd erlebt hast, in einen neuen Kontext setzen.
 

Ein Beispiel:

Dein Pferd weigert sich, in den Hänger zu gehen.

Vielleicht denkst du, dass du in dieser Situation unweigerlich Ärger fühlen wirst. Dass es dich frustrieren wird, wenn du alles versuchst, aber dein Pferd einfach wie angeklebt auf der Rampe stehen bleibt.

Was du fühlen wirst, hängt davon ab, welchen Kontext dein Gehirn erschafft.

⇢ Du könntest es spannend finden, an so einer kniffligen Aufgabe zu arbeiten und voller Vorfreude auf den Moment sein, wo du endlich verstehen wirst, was dein Pferd von dir braucht, um in den Hänger zu gehen
⇢ Du könntest stolz oder erleichtert sein, weil dein Pferd die innere Stärke entwickelt hat, so deutlich Nein zu sagen
⇢ Du könntest vollkommen in dir ruhen, innerlich ganz still und sanft sein, weil du weißt, dass ihr auch diese Aufgabe am Ende meistern werdet

Du hast nicht wirklich 100% die Wahl, ob du frustriert oder gelassen reagierst, weil diese Interpretation und Einordnung zu einem großen Teil automatisch und unbewusst abläuft.

ABER, wenn du verstehst, dass es viele verschiedene Möglichkeiten gibt, eine Situation zu interpretieren, kannst du nach anderen Perspektiven suchen oder ganz bewusst ein neues Bild erschaffen.

Irgendwann wird deine neue Einordnung keine Anstrengung mehr erfordern. Sie wird so automatisch ablaufen, wie du jetzt einordnest, dass die Weigerung in den Hänger zu gehen von mangelndem Respekt zeugt, ein Zeichen dafür ist, dass dein Pferd dir nicht vertraut oder euch in echte Gefahr bringt, weil Pferde einfach schon für den Notfall jederzeit in den Hänger gehen müssen.
 

Welche Gedanken du unterstreichst und fett druckst und welche du immer mehr verblassen und in den Hintergrund treten lässt, ist deine Wahl.

 
Und diese Wahl erschafft deine Realität 🌿. Und diese kreierte Realität ist der Kontext, in dem deine Emotionen entstehen.
 
 

Was braucht es, um neue Einordnungen zu schaffen, die ein Miteinander auf Augenhöhe und Sanftheit ermöglichen?

 

1. Erkenne, hinterfrage und verwerfe alte Überzeugungen.

Glaubst du an das Dominanz- und Rangordnungskonzept? Denkst du, dass man Pferden unerwünschtes Verhalten nicht durchgehen lassen darf? Zeigt sich eine gute Beziehung zwischen Pferd und Mensch darin, dass das Pferd bereit ist, alles für dich zu tun?

Es geht nicht darum, ob all das wahr ist.

Ist es nicht, egal wie viel auf Facebook über vermeintliche Fakten gestritten wird, die doch nur selbst-erschaffene Ansichten sind.

Es geht darum, ob du an diesen Konzepten festhalten willst. Um das zu entscheiden, frage dich:

Hilft mir dieses Konzept dabei das zu erleben, was ich gern erleben möchte? Oder gibt es eine andere Einordnung, die besser für mein Ziel geeignet ist?
 

2. Erschaffe neue Konzepte.

Wie sieht eine gesunde Pferd-Mensch-Beziehung aus? Was sagst das Verhalten deines Pferdes über dich und deinen Wert aus? Was bedeutet es, ein Miteinander auf Augenhöhe zu gestalten?

Du kannst neue Konzepte erschaffen, indem du dich gedanklich mit anderen Perspektiven auseinandersetzt.

Es ist aber aus gutem Grund ein laaanger Prozess, der nie ganz vollendet werden kann. Denn du übernimmst nun nicht länger unreflektiert die Ansichten anderer (du weißt ja, wohin das in der Vergangenheit geführt hat).

⇢ Du sammelst Puzzleteile, musst den richtigen Platz für jedes einzelne finden, sie aus jedem Blickwinkel betrachten und letztendlich ein ganzes in sich stimmiges Bild erschaffen. Das ist es, was die ganz großen Trainer tun, wenn sie ihre Methoden erschaffen. Und jetzt ist es deine Aufgabe.

Auf dem Weg zu deinem großen, stimmigen Bild wirst du viele Annahmen wieder verwerfen. Du bist auf der Suche.
 

3. Lebe deine neuen Konzepte.

Als nächstes musst du deine neuen Konzepte testen. Du versuchst, mit deinen neuen Gedanken und Einordnungen die Erfahrungen zu schaffen, die du dir wünschst.

Was passiert, wenn du diese Situation aus dieser Perspektive betrachtest UND dein Handeln entsprechend veränderst?

In diesem Stadium wird es viele viele Rückschläge geben. Dein neues Denken basiert noch auf mangelndem Wissen. Du hast noch kein Vertrauen in deine neuen Sichtweisen. Du testest Hypothesen, aber ohne die Fähigkeiten aufgebaut zu haben die es braucht, um damit Erfolg haben zu können.

Werkzeuge wie die positive Verstärkung oder die Verkörperung von Sanftheit erfordern Know-How, um zum Ziel statt zu weiteren Problemen zu führen.

In diesem Schritt ist es ganz normal, viel zu zweifeln und sich ratlos zu fühlen.

Man hat mehr Fragen als Antworten.

Ich möchte dir meinen wichtigsten Rat für dieses Stadium geben:
 

Halte eine Weile an deinen neuen Konzepten fest. Du wirst einiges über den Haufen werfen – aber glaube erstmal daran, dass es funktionieren kann.

 
Und dass es, wenn es gerade noch nicht funktioniert, nicht daran liegt, dass es unmöglich ist.

Es liegt ziemlich wahrscheinlich nicht daran, dass es unmöglich ist, sondern daran, dass du herausfinden musst, WIE es möglich ist.

Suche andere, die auf diesem Weg schon weiter sind. Hol dir Bestätigung. Such nach Beweisen dafür, dass es funktionieren kann.

Höre dir die Perspektiven der Menschen an, die dein Ziel schon länger verfolgen.
 

Bleib dabei, bis es leicht wird.
Bleib dabei, bis du es verkörperst.

🤍🪶

Wir erschaffen unsere eigene Realität. Dieser Prozess hat mich dahin gebracht, zufrieden zu sein, unabhängig davon, ob Nathan unsere Einheit vorzeitig beendet. Mit mir im Reinen zu sein, unabhängig davon, ob er mir seine volle Aufmerksamkeit entgegenbringt. Meinen Wert nicht daran zu bemessen, wie leicht uns das Training fällt und mein Glück nicht davon abhängig zu machen, ob ich von meinem Pferd das bekomme, was ich begrüßen würde.

Nichts hat sich mit einem Fingerschnippen verändert! Ich habe nicht einfach losgelassen und über Nacht eine neue Sichtweise angenommen.

Aber ich habe Gedanken anprobiert, bin in Perspektiven geschlüpft und habe durch die unterschiedlichsten Filter geschaut, bis ich welche gefunden haben, die miteinander ein stimmiges Bild ergeben. Die sich passend anfühlen.
 

Und ich bin lange genug dabei geblieben, dass sie zu meinem neuen Muster werden konnten.

 
Also bleib dabei und lass dich nicht von Rückfällen ärgern. Die gehören dazu. Komm einfach immer wieder zu deinen neuen Gedanken zurück. Komm einfach immer wieder zurück 🌿.
 

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