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Clickertraining für Fortgeschrittene: Denken vs. Fühlen

In diesem Artikel klären wir:

  • was ein fühlendes von einem denkenden Pferd/Menschen unterscheidet
  • wie das Clickertraining unser Mindset verändern kann
  • wie du vom (Zer)denken zurück ins Fühlen kommen kannst

Viel Freude beim Lesen!

 
Wenn Clickertraining im Pferdetraining eingesetzt wird, kann das ziemlich technisch aussehen. Als ob es nicht länger um Kommunikation, Beziehung oder Gefühle ginge. Als ich mich das erste Mal mit dem Clickertraining beschäftigte, war es genau das, was ich dachte. Ich glaubte, dass der Mensch sich in einen Futterautomaten ohne jegliche andere Bedeutung für das Pferd verwandeln würde. Diese Assoziation ist übrigens der Grund, warum ich lieber von Training auf Basis von positiver Verstärkung spreche als von Clickertraining.
 


In diesem Artikel schreibe ich über die Bedeutung unserer Emotionen und warum das Clickertraining nicht automatisch positive Emotionen im Pferd entstehen lässt. Folge diesem Link: Positive Verstärkung gleich positive Emotionen?


 
In einem Post auf Instagram stieß ich auf zwei verschiedene Arten von Menschen und Pferden: Den FÜHLENDEN und den DENKENDEN. Ich konnte mich sofort mit diesen Begriffen identifizieren und möchte sie daher nutzen, für die folgende Beschreibung der Vorgänge zwischen Pferd und Mensch nutzen.

Für mich beschreiben die beiden Wörter das Kontinuum eines geistigen Zustandes, in dem Pferd und Mensch sich befinden können. An einem Ende befindet sich das FÜHLEN, am anderen das DENKEN. Wir können mehr auf der einen Seite des Kontinuums verortet sein als auf der anderen.

Der FÜHLENDE verlässt sich vermehrt auf seine Intuition und die Informationen die er unbewusst aus seinen Emotionen zieht, während der DENKENDE sich eher auf seine Ratio verlässt, auf seine Gedanken und Schlussfolgerungen, die er durch Bewusstwerdung erlangt.

Das FÜHLENDER-DENKENDER-Kontinuum

 

Wie kann Clickertraining unser Mindset beeinflussen, wenn wir Pferde trainieren?

Die Theorie, die als Basis des Clickertrainings dient, spricht den DENKENDEN in uns an. Es geht um Quadranten, Signalkontrolle, Signale, Trainingspläne, Shaping, Timing, Targets, das Zerlegen von Verhalten in kleinste Teile und vieles mehr. Wenn wir anfangen mehr über das Clickertraining zu lernen, fragen wir vielleicht Dinge wie: „Was ist der Verstärker für dieses Verhalten?” oder „Ist das negative oder positive Verstärkung?”. Wenn wir nicht das Verhalten bekommen was wir wollten, dann hinterfragen wir, ob der Wert der Verstärkung nicht hoch genug war, unser Timing falsch oder die Clickrate zu gering.
 

Clickertraining kann uns sehr ins (Zer)Denken bringen, während wir unser FÜHLEN außer Acht lassen.

 
In meinem Fall hatte das unangenehme Folgen für uns beide, Nathan und mich, da ich ohnehin eher zum DENKEN als zum FÜHLEN neige. Mein denkfreudiger Geist dreht auf, wenn ich über Theorien und ihre Anwendung nachdenke, während ich mit Pferden interagiere. Das Überdenken von allem hält mich davor zurück, meine Intuition zu benutzen.

Hier erkennt man an meinem Gesicht, dass meine DENKENDE Seite aktiv ist und Nathan’s Nüstern zeigen teilweise seine emotionale Reaktion auf meinen geistigen Zustand. In diesem Fall wurde es durch die Arbeit mit dem Kappzaum (statt wie gewohnt in Freiarbeit) hervorgerufen, was zu diesem Zeitpunkt unserer Reise noch neu für uns war.

 

Bedeutet das, wir sollten nicht über unser Training nachdenken?

Nur, wenn wir über unser Training nachdenken und es infrage stellen, können wir sowohl die Ergebnisse verändern als auch die Art wie unser Pferd das Zusammensein mit uns erlebt. Bis zu einem gewissen Punkt geht es darum, neue Fähigkeiten zu lernen. Wenn wir nicht über Theorien nachdenken oder Ratschläge von anderen berücksichtigen würden, dann könnten wir nur Erfahrungen machen, die auf dem basieren, was wir bereits wissen.

Es ist nicht unmöglich neue Dinge ohne den Input von anderen zu begreifen, doch dann müssen die Pferde den Job des Lehrens ganz alleine übernehmen. Wir würden eine Menge hilfreicher Informationen verpassen, die andere Menschen bereits vor uns gesammelt haben. Doch das Beachten dieser Informationen kann ebenfalls Probleme verursachen.

Das Problem mit diesen Informationen ist, dass wir diese neuen Fertigkeiten oder Denkansätze nicht sofort in unseren Werkzeugkoffer packen können, da wir diese Erfahrung nicht mit unserem eigenen Körper gemacht haben. Wir können diese Information nur in unseren denkenden Geist integrieren. Versuchen wir später das Ganze in die Praxis umzusetzen, so können wir dies nicht tun ohne dabei von unserem DENKENDEN geleitet zu werden.
 

Der DENKENDE führt uns durch die neue Erfahrung, die wir machen wollen.

 
Doch nur wenn wir das Wissen mit unseren eigenen Sinnen gefühlt und erlebt haben, können wir uns wieder in die Leitung des FÜHLENDEN begeben.
 

Wie Jana mich zum FÜHLEN zurückbrachte

Als ich zum ersten Mal das Clickertraining ausprobierte, war es genau das, was ich erlebte. Ich verhielt mich mehr wie eine Maschine als wie ein lebendes Wesen. Durch meine natürliche Tendenz, meinem denkenden Geist die Kontrolle zu überlassen, blieb es so, bis ich auf Jana traf.

Jana hat die große Stärke zwischen FÜHLEN und DENKEN unterscheiden zu können. Obwohl sie einen großen DENKER in sich trägt, der jede Information über Pferde gierig aufsaugt, gibt sie sich ganz ihrer FÜHLENDEN Seite hin, wenn sie bei den Pferden ist.

Als ich Jana das erste Mal mit Nathan sah, war ich ein bisschen geschockt von der Menge an Leckerlies die sie scheinbar für alles gab. Sie benutzte keinen Clicker oder ein anderes Markersignal. Die beiden erkundeten die Umgebung, machten ein paar Tricks und sie fütterte fast die ganze Zeit Leckerlies. Was ich da sah hatte beinahe nichts mit dem Clickertraining, das ich gelernt hatte, zu tun – doch es funktionierte für die beiden. Janas Handlungen basierten nicht auf Theorien. Sie basierten auf dem was sie fühlte, was sie zum Ausdruck bringen wollte und vor allem, was ihre Intuition ihr zu tun riet.
 


In diesem Artikel erklärt Jana dir, warum es eine gute Idee ist, ein Markersignal einzuführen, wenn du mit Futterlob trainierst: Darum brauchst du ein Markersignal!


 
Für einige Jahre brachen wir so ziemlich alle Regeln. Wir stellten eigene Theorien auf, machten Erfahrungen und bildeten Überzeugungen. Wir experimentierten und entdeckten vieles neu. Ich ließ alle Regeln los, von denen ich glaubte, sie befolgen zu müssen. Und ich lernte wie es ist, sich vom FÜHLENDEN leiten zu lassen. Später begann ich mich bewusst durch mein Denken leiten zu lassen, wenn ich neues Wissen anwenden wollte. Doch diesmal wusste ich, wann ich innehalten musste und es an der Zeit war, wieder zu FÜHLEN.

Jana nutzt das Clickertraining um Nathan beizubringen, seinen Kopf vertrauensvoll in ihre Hand zu legen. Der Ausdruck in ihrem Gesicht verrät deutlich, dass ihre Handlungen vom FÜHLEN geleitet werden. Und Nathan taucht offensichtlich ebenfalls tief in die Übung und die Interaktion ein.

Heute weiß ich, dass beide Enden des Kontinuums wichtig sind. Es gibt eine Zeit für das Denken. Es gibt eine Zeit für das Fühlen. Wenn wir es schaffen, zwischen den beiden hin- und her zu wechseln, dann können wir das Clickertraining nutzen, ohne uns dabei in eine Maschine zu verwandeln die nur aus Click+Futter besteht.
 

Verlässt du dich im Umgang mit deinem Pferd eher auf deine Intuition oder deinen Verstand?

 

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2 Comments


Berit Seiboth
3. November 2018 at 10:15
Reply

Wieder ein sehr schöner Artikel.
Ich gehöre eindeutig zu den Fühlenden.
Wenn mich Leute fragen, warum ist Raija so brav und so gut zu hört. Kann ich das gar nicht beantworten. Es ist einfach passiert. Ich habe nie bewusst mit ihr trainiert am durchhängenden Strick neben mir zu laufen, beim Putzen ohne angebunden zu sein brav stehen zu bleiben etc. Sie tut es einfach.
Viele Dinge die ich instinktiv schon immer gemacht habe ohne mir Gedanken darüber zu machen werden jetzt in Büchern beschrieben. Nun erfahre ich, warum mein Instinkt das schon immer wusste, was ich aber nicht erklären konnte.


Miriam
5. Januar 2021 at 12:02
Reply

Ich gehöre eher zu den Denkenden und das steht mir auch oft im Weg. Sind unsere Pferde doch Gefühl. Immer wieder muss ich mich selber dazu bringen mehr hinzufühlen und die Theorie mal Theorie sein zu lassen, aber das ist oft nicht so leicht für mich. Aber auch hier helfen mir meine Ponys besser zu werden. Dafür bin ich ihnen sehr dankbar.
Liebe Grüße
Miriam


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