Was sind Grenzen eigentlich?
Grenzen klingen immer so, als würden wir uns den Kopf daran anstoßen. Oder als wären sie eine unverrückbare Mauer. Wenn dem so wäre, habe ich eine Frage: Wie kann es dann sein, dass wir über unsere Grenzen hinausgehen können? Oder die Grenzen anderer mühelos missachten?
Vielleicht sind unsere Grenzen eventuell doch nicht so unverrückbar, wie sie tun?
Im Alltag und im Sein mit dem Pferd gibt es immer wieder diesen einen Punkt, wo der Kopf an die Wand stößt. Vielleicht versuchst du krampfhaft, dein Pferd endlich zu mehr Bewegungsmotivation zu inspirieren.
Vielleicht kennst du dieses Gefühl, wie eine hyperaktive gute Fee um dein Pferd herumzuwuseln und einfach alles zu versuchen. Target etwas näher hin. Target etwas weiter weg. Selbst von einem Bein aufs andere hüpfen. Ermutigende Worte in Dauerschleife…
Versuchen, irgendwie eine Bewegung aus ihm herauszukitzeln. Meist von mäßigem bis gar keinem Erfolg gekrönt. Und die Gedanken überschlagen sich: Was muss ich denn noch tun, damit er sich endlich bewegt???
Jetzt gerade, wo dein Pferd dich nur müde dabei beobachtet wie du zur hyperaktiven guten Fee mutierst und es weiter einfach NICHT reagiert – jetzt gerade hilft es dir nicht, da noch irgendeine Bewegung rauszukitzeln.
Warum?
Weil du dir selbst eine Grenze gesetzt hast. In deinem Kopf erzählst du dir nach wie vor die Geschichte über das “faule”, “pummelige” oder “unmotivierte” Pferd. Tief in dir drin glaubst du, dass dein Pferd sich niemals freiwillig bewegen wird und du wahrscheinlich bald doch mit Druck wirst arbeiten müssen.
Lass mich dir jetzt eines sagen:
Die stärksten Grenzen sind immer die, an die wir selbst glauben.
Diese Grenzen sind wirklich gefährlich für das bewusste Sein mit Pferden
Für mich es diese bestimmte Art von Grenzen, die wir in unsere Köpfen errichten und die ich als wirklich gefährlich empfinde. Wie zum Beispiel:
- mein Pferd ist einfach nie motiviert
- mein Pferd ist ein Angsthase
- mein Pferd ist dominant
- mein Pferd ist schwach und muss beschützt werden
Warum ich diese Grenzen so gefährlich finde? Weil es Grenzen sind, an die wir selbst glauben und aufgrund derer wir die Pferde in eine Schublade stecken.
Wir Menschen neigen zum „confirmation bias“, das bedeutet wir suchen stets nach einer Bestätigung für unsere Theorien. Wir gehen selten so vor, dass wir erstmal objektiv Daten sammeln und anhand dieser eine Theorie formulieren. Stattdessen stellen wir unsere Theorie auf (siehe eine der obigen Aussagen) und suchen anschließend nach Beweisen für diese Theorie. Das kann dann so aussehen:
- „Heute hat sich mein Pferd mal wieder kaum bewegt. Es ist einfach nie motiviert.“
- „Da hat es sich eben wieder vor einem unsichtbaren Gespenst erschrocken, mein Pferd ist ein Angsthase.“
- „Jetzt verhält es sich schon wieder total rüpelig, es ist so dominant…“
- „Wir haben extra so wenig gemacht und trotzdem war mein Pferd überfordert, ich muss wohl nächstes Mal noch weniger machen.“
Es ist für unsere Pferde unglaublich schwer, aus diesen Schubladen auszubrechen, die wir für sie gebaut haben.
Diese selbstgebauten Grenzen trüben unsere Sicht. Wir fangen an, Beobachtungen zu verdrehen und schließen Alternativerklärungen aus. Vielleicht hat sich das Pferd nicht viel bewegt, weil es gesundheitlich angeschlagen ist? Vielleicht erschrickt sich das Pferd vor Plastiktüten, kann aber wunderbar an lärmenden Landmaschinen vorbeigehen? Oder das rüpelige Pferd ist eigentlich unter Dauerstress, weil es in der Herde gemobbt wird und ist eigentlich ein sehr sensibler und zurückhaltender Charakter?
Wir können diese Möglichkeiten nicht sehen. Und die Folge daraus ist, dass wir unseren Pferden nicht gerecht werden – weil wir sie gar nicht so sehen, wie sie sind. Sondern so, wie wir sie machen.
Wie können wir uns von unseren Grenzen losmachen?
Wie ich oben schon geschrieben habe:
Die stärksten Grenzen sind immer die, an die wir selbst glauben.
Das bedeutet: Können wir den Glauben an sie loslassen, dann können wir einfach die Linie überqueren, über die Mauer springen oder mit unserem Kopf die Wand durchstoßen. Und damit unsere Pferde aus ihren Schubladen befreien.
Genau für dieses loslassen haben wir jetzt eine Übung für dich.
Wie wir in unserem Onlinekurs „mit mir im dialog“ zeigen, ist Selbstreflexion auch hier der Schlüssel zur Veränderung. Exklusiv für dich haben wir hier eine Übung aus unserem Workbook zu „mit mir im dialog“ herausgesucht, die dir dabei hilft über die Mauer zu springen.
Nimm dir für die folgenden Coachingfragen einen Stift und Zettel/wahlweise ein Journal und beantworte sie ganz in Ruhe. Nimm dir dabei vor allem die Fragen, die dich intuitiv am meisten ansprechen oder triggern.
Damit wir unsere (eigenen oder von anderen auferlegten) Grenzen loslassen können, lohnt es sich zu hinterfragen:
- Kommt diese Grenze eigentlich von mir?
- Was ist der Ursprung dieser Grenze?
- Welche Emotion, Situation oder Erfahrung hat diese Grenze entstehen lassen?
- In welchen aktuellen Situationen hindern mich diese Grenzen daran, das zu tun, was mir eigentlich wichtig ist?
Stelle dir nun folgendes vor:
- Was passiert, wenn du die Identifikation mit dieser Grenze für einen Moment (in deinen Gedanken) loslässt?
- Kannst du erkennen, dass du nicht die Grenze bist, sonder derjenige, der die Grenze aufstellt – und sie somit auch wieder abreißen kann?
Werde nun aktiv: Sammle Gegenbeweise für jeden Glaubenssatz und jede limitierende Grenze.
- Wann hast du doch etwas getan, was du eigentlich für unmöglich gehalten hast?
- In welcher Situation hat dir dein Pferd bewiesen, dass es auch das Gegenteil in sich trägt?
Nun male dir aus:
- Welches Gefühl löst der Gedanke in dir aus, dass du deine Grenzen zumindest teilweise selbst bestimmen und verschieben kannst?
- Wie verändert sich dadurch das Zusammensein mit deinem Pferd?
- Was möchtest du nun mit diesem Gedanken anfangen?
Nimm dir nach der Bearbeitung dieser Fragen einige Tage Zeit und lies dir deine Antworten später nochmal durch. Stimmst du deinen Gedanken noch zu? Oder möchtest du gerne etwas ergänzen, revidieren oder noch weiter durchdenken?
Dann tue das.
Schreibe dir abschließend deine wichtigste Erkenntnis möglichst in einem Satz heraus und hefte ihn dir gut sichtbar an einen Ort, den du täglich siehst.
Dies ist dein persönlicher Befreiungssatz.
Diese und noch viele weitere Coachingübungen findest du in unserem Onlinekurs “mit mir im dialog”.
Schlusswort
Du darfst damit Frieden schließen, dass du immer wieder auf Grenzen von anderen oder von dir selbst stoßen wirst. Das ist völlig normal und gehört zu jeder menschlichen Erfahrung. Es geht schlussendlich darum zu erkennen, dass wir selbst wählen können, wann und ob wir diese Grenzen achten oder sie zugunsten von etwas aufgeben möchten. Darin liegt die Freiheit.
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1 Comment
Danke wieder für diese tollen Anstöße. Ich habe die Übung gemacht und werde auf jeden Fall weiter am Einsturz meiner Grenze arbeiten. Es ist eine sehr feste Grenze, aber ich bin mir sicher, dass ich das schaffen kann.
Liebe Grüße
Miriam