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Wie viel Konsequenz braucht (d)ein Pferd? – Wann du konsequent sein musst, und wann nicht

Konsequent mit dem Pferd zu sein ist im konventionellen Pferdeumgang das A und O.

Deshalb müssen sich Pferdemenschen, die einen sanften Weg einschlagen, anhören, sie seien nicht konsequent genug.

☝️ Du darfst deinem Pferd nichts durchgehen lassen.
☝️ Eine Regel muss immer gelten. Nicht mal so, mal so.
☝️ Du musst Fehler im Ansatz korrigieren, sonst wird das Verhalten immer schlimmer.

Und am Ende werden Pferde gefährlich, wenn man nicht konsequent mit ihnen umgeht ⚠️!

Belasten dich solche Aussagen, weil es sich nicht richtig anfühlt, auf diese Weise konsequent zu sein?

Dann lass uns heute hinterfragen, was wirklich dran ist:

🔎 Wie viel Konsequenz brauchen Pferde tatsächlich? Und was sind die Unterschiede zwischen einem konventionellen und einen sanften Umgang auf Augenhöhe?

Vorher müssen wir aber erstmal genau festlegen, was unter Konsequenz eigentlich zu verstehen ist.
 
 

Was bedeutet es überhaupt, konsequent mit dem Pferd umzugehen?

Wenn gesagt wird, “Sei konsequent!”, dann ist meistens gemeint, dass du deinem Pferd gegenüber feste Regeln und Abläufe durchsetzen sollst.

Wenn A, dann immer B:

Wenn dein Pferd A macht  – oder ihr euch in Situation A befindet – oder du Signal A gibst, dann muss immer B folgen.

Dein Pferd muss tun, was es in dieser Situation oder bei diesem Signal tun soll. Und wenn es das nicht tut? Dann musst du konsequent sein und deinen Willen durchsetzen.

Dieses einfache Schema hat den Vorteil, dass du immer weißt, was zu tun ist. Denn du tust immer das gleiche. Du ziehst konsequent deine Agenda durch.
 
 

Weshalb ist Konsequenz im konventionellen Pferdeumgang so wichtig?

Stell dir vor, du würdest dein Pferd mit steigernden Druckstufen und Strafe erziehen und motivieren. Was passiert, wenn du dabei inkonsequent vorgehst?

Mal steigerst du den Druck, wenn dein Pferd nicht auf dein leises Signal reagiert. Mal strafst du “Fehl”Verhalten. Manchmal aber auch nicht.

Was passiert, wenn du mal so und mal ganz anders reagierst?
 
 

Dem Pferd gegenüber konsequent sein – Schutz für die Pferdeseele

Für dein Pferd wird dein Verhalten unvorhersehbar und damit unkontrollierbar. Pferde wollen unangenehmen Reizen (mit denen sie im konventionellen Pferdetraining motiviert und trainiert werden) aus dem Weg gehen. Wenn dein Pferd aber nicht weiß, wann es welchen Reiz zu erwarten hat, kann es sein Verhalten auch nicht darauf abstimmen.

Für dein Pferd bedeutet das, dass es immer wieder gestraft wird – ohne dass es ein Muster erkennen kann. Das macht Stress. Und Stress führt zu Übersprungshandlungen (z.B. Beißen/Schnappen), die gefährlich sein können und wieder vom inkonsequenten Menschen mal gestraft werden und mal nicht. So entsteht eine Teufelsspirale der Härte (darüber kannst du hier mehr nachlesen, wenn du etwas runterscrollst).

Vorhersagbarkeit und Kontrollierbarkeit sind essentiell, wenn wir der Pferdeseele nicht durch Strafe schaden wollen.
 
 

Pferde konsequent trainieren – Motivation sicherstellen

Es gibt im konventionellen Pferdetraining noch einen zweiten guten Grund für Konsequenz:

Wir nehmen wieder an, du motivierst dein Pferd über das Nachlassen von Druck, wenn es sich richtig verhält.

❗️Wichtig: Obwohl häufig argumentiert wird, dass Pferde auch im konventionellen Pferdetraining mit positiver Verstärkung motiviert werden: Kein Pferd bringt sportliche Leistung für Schulterklopfen, Stirnreiben oder lobende Worte. Ein Pferd ist ein Pferd und macht sich erstmal nichts aus menschlicher Anerkennung.

Du gibst ein Signal, dein Pferd reagiert aber nicht. Wenn du konsequent bist, steigerst du nun den Druck so lange, bis dein Pferd reagiert. Oder zumindest gibst du nicht einfach nach, sondern bleibst bei deiner Forderung.

Bist du inkonsequent, gibst du aber manchmal auch nach. Vielleicht widerstrebt es dir, den Druck so weit zu steigern, wie es notwendig wäre, damit dein Pferd reagiert.

Dein Pferd beginnt jetzt das Verhalten zu zeigen, was oft als “Testen” bezeichnet wird. Es ist für dein Pferd unklar, wann es welche Konsequenzen zu erwarten hat. Also probiert es aus:

Kann es deine Forderung einfach aussitzen? Wirst du nachgeben? Oder setzt du dich diesmal durch?

Arbeitest du inkonsequent mit negativer Verstärkung (= Motivation über Nachlassen von Druck), wird dein Pferd weniger zuverlässig auf deine Signale reagieren. Es widersetzt sich häufiger. Mitunter bricht Verhalten vollständig zusammen.

Das ist es übrigens auch, was in der Nein-Phase während der zweiten Phase der Beziehungsentwicklung auf Augenhöhe passiert.
 
 

Wer profitiert wirklich von Konsequenz im Umgang mit Pferden?

Häufig wird es so dargestellt, als bräuchten Pferde eine konsequente Hand, um sich unter ihrem Leittier Mensch sicher zu fühlen. Dazu kann ich dich nur ermutigen, mal befreundete Pferde oder Pferde in einer harmonischen Herde zu beobachten. Mir fällt dabei immer wieder auf, wie wenig “wenn A, dann immer B” man zwischen den Pferden feststellen kann.

Es sind die Menschen, die wollen, dass ihre Pferde wie auf Knopfdruck funktionieren. Dass ihre Pferde gehorsam sind und immer gleich reagieren.

Es sind die Menschen, die Pferde mit Druck und Strafe trainieren. Die wollen, dass ihre Pferde reaktionsschnell sind und “fein”.
 

Pferde brauchen keine Konsequenz.
Reiter brauchen sie.

 
Reiter brauchen Konsequenz, um Pferde nutzbar zu machen.

Schauen wir uns Konsequenz mal durch die Brille eines sanften Umgangs auf Augenhöhe an. Da stellen wir schnell fest, dass es auch seine Schattenseiten hat, konsequent mit Pferden umzugehen.
 
 

Was ist schlecht daran, konsequent mit dem Pferd umzugehen?

Wenn du dir ohnehin keine Beziehung auf Augenhöhe mit deinem Pferd wünschst, kannst du hier aufhören zu lesen.

Wenn es dir aber wichtiger ist, dass dein Pferd Freude am Zusammensein mit dir hat und sich dir ehrlich mitteilt, als dass es gehorsam und “nutzbar” ist, dann lass uns über die negativen Auswirkungen von Konsequenz im Sinne von “wenn A, dann immer B” sprechen:

  1. In einem konsequenten Umgang lernt dein Pferd, dass es seine Empfindungen und Bedürfnisse nicht mitteilen soll.
  2. Ein konsequenter Umgang verhindert, dass du flexibel auf dein Pferd eingehen kannst.

 
 

Das Nein des Pferdes – Voraussetzung für eine Beziehung auf Augenhöhe

Wenn du dir eine Freundschaft mit deinem Pferd wünschst, ist es dir wichtig, was dein Pferd wirklich empfindet. Um das zu erkennen, muss dein Pferd sich und seine Gefühle und Bedürfnisse authentisch mitteilen.

In einem konsequenten Umgang lernen Pferde aber, dass sie dem Menschen gehorchen müssen – egal was in ihnen vorgeht. Egal, ob sie einverstanden mit den Aufgaben sind, die ihnen gestellt werden.

In einem sanften Umgang wollen wir genau das nicht.

In einer Beziehung auf Augenhöhe gibt es unzählige Gelegenheiten, zu denen ich nicht wollen würde, dass mein Pferd mir einfach gehorcht und sich an immer geltende Regeln hält. Denn das würde bedeuten, dass mein Pferd über seine Bedürfnisse und Empfindungen hinweg geht!

Stattdessen möchte ich, dass mein Pferd ein starkes Nein entwickelt. Dass es mir mitteilt, wie es ihm mit einer Aufgabe geht. Und dass es sich VERWEIGERN kann.

“Konsequent sein” ist genau das Gegenteil.
 
 

Wieso es keinen Sinn ergibt, zugleich aufs Pferd eingehen und konsequent sein zu wollen

Du kannst nicht zugleich konsequent deine Agenda durchziehen UND flexibel auf dein Pferd eingehen.

Würdest du einen pferdegerechten, aber konsequenten Umgang pflegen wollen, müsstest du ständig Ausnahmen machen.

Pferdegerecht ist es nämlich, aufs Durchsetzen zu verzichten, sobald der kleinste Zweifel besteht, dass dein Pferd sich aufgrund körperlicher Ursachen (Schmerzen) verweigert!

Pferdegerecht ist es, unerwünschtes Verhalten nicht zu korrigieren, wenn du selbst durch deine Körpersprache der Auslöser bist.

Pferdegerecht ist es, nicht auf ein Verhalten zu bestehen, wenn dein Pferd überfordert ist.

Und wenn du ohnehin ständig Ausnahmen machen müsstest, um auf dein Pferd eingehen zu können: Warum solltest du dann überhaupt Konsequenz anstreben? 🧐

Die Sache, die viele nicht verstehen wollen werden ist:

Wir können ENTWEDER gehorsame, funktionierende Pferde haben wollen, die unserem Freizeitvergnügen dienen ODER einen pferdegerechten Umgang pflegen. Pferde, die nie Nein sagen, kein Unwohlsein ausdrücken, nie zögern oder Zeit brauchen oder sich widersetzen sind Pferde, die gelernt haben, die Verbindung zu ihren eigenen Bedürfnissen und Empfindungen zu kappen, weil das besser ist, als die Konsequenzen für “Ungehorsam” erdulden zu müssen.

 

Pferde, mit denen pferdegerecht umgegangen wird, funktionieren nicht. Sie sind Lebewesen.

 
 

Weshalb du im sanften Pferdetraining keine Konsequenz brauchst

Im sanften Pferdetraining brauchst du aus zwei Gründen keine Konsequenz im herkömmlichen Sinne:

  1. Weil du auf Strafe und eskalierenden Druck (größtenteils) verzichtest, erwartet dein Pferd ohnehin Gutes von dir – im Detail vorhersehbar zu sein verliert an Bedeutung.
  2. Du motivierst dein Pferd nicht über das Nachlassen von Druck und bist deshalb auch nicht darauf angewiesen, deinen Willen konsequent durchzusetzen.

 
 

Wie du ohne Konsequenz für dein Pferd kontrollierbar wirst

Du verzichtest größtenteils auf Strafe und motivierst dein Pferd nicht über die Eskalation und das Nachlassen aversiver (= unangenehmer) Reize. Es besteht also nicht mehr die Gefahr, dass du dein Pferd in die erlernte Hilflosigkeit treibst, weil es diese unangenehmen Erfahrungen nicht abwenden kann.

Stattdessen basiert euer Umgang nun darauf, dass beide Seiten den anderen jederzeit beeinflussen können, sich verweigern können, gehört werden und Kompromisse eingehen. So bist du aus Sicht deines Pferdes jederzeit „kontrollierbar“. Ganz ohne konsequent sein zu müssen.

Wie die Entwicklung hin zu einem solchen Umgang im Detail aussieht, kannst du in unserer Beitragsreihe zum Modell der Pferd-Mensch-Beziehung auf Augenhöhe nachlesen.
 
 

Wie Motivation ohne Konsequenz funktioniert

Pferde fangen deshalb an zu “testen”, weil sie kein anderes Interesse haben das zu tun, was verlangt wird, außer Druck und Strafe zu vermeiden. Wendest du Druck und Strafe nicht konsequent an, reagiert dein Pferd unzuverlässiger auf deine Signale.

Druck und Strafe einfach nur wegzulassen wird auch im sanften Umgang nicht funktionieren. Es gibt ja immer noch Aufgaben, die du mit deinem Pferd erledigen musst (Hufe bearbeiten, zur Weide führen, …).

Deshalb musst du deinem Pferd gute Gründe geben, das zu tun, was du fragst. Du brauchst einen Anreiz, mit dem du das Steigern von Druck ersetzen kannst. Dein Pferd macht nicht einfach, was es soll, nur weil du plötzlich nachsichtig und sanft mit ihm umgehst.

Damit sind wir bei der positiven Verstärkung. Wenn du dein Pferd zu einem Verhalten motivieren willst, muss dieses Verhalten aus Sicht deines Pferdes zu einer erstrebenswerten Konsequenz führen.

Mit positiver Verstärkung baust du im sanften Pferdetraining du schrittweise die Motivation und Kooperationsbereitschaft deines Pferdes auf.

Dein Pferd lernt, dass es vom Menschen grundsätzlich Gutes zu erwarten hat. Dadurch hast du bald ein Pferd an deiner Seite, dass normalerweise sehr bestrebt ist, deine Fragen zu beantworten – obwohl du dich nicht länger konsequent durchsetzt.
 
 

Fazit: Ausnahmen bestätigen die Regel – Konsequenz im sanften Pferdeumgang

Rituale, Routinen und Regeln können das Miteinander erleichtern und bereichern. Sie geben wiederkehrenden Abläufen ihre Struktur, sodass du und dein Pferd euch leichter entspannen könnt.

Natürlich darfst du Konsequenz anwenden, wenn sie dir und deinem Pferd nützt. Du darfst konsequent nur an einem bestimmten Ort mit Leckerli arbeiten oder wilde Hüpfer nur bestärken, wenn dein Pferd viel Abstand zu dir hält. Du darfst konsequent darauf beharren, dass du keine Pferdenase in deinen Taschen haben willst und an eurem Abschiedsritual, mit dem ihr schon immer eure Einheit beendet, festhalten.

Es gibt Ausnahmen, in denen ich konsequent auf einem bestimmten Verhalten bestehe.

Aber all das ist kein Grund dafür, in jeder Hinsicht konsequent sein zu wollen. Mich ständig durchsetzen zu müssen und immerzu an meiner Forderung festhalten zu müssen. Weil ich ohnehin selten fordern und viel häufiger fragen und die authentische Antwort des Pferdes hören möchte.

Du darfst bewusst konsequent inkonsequent sein. Du darfst auf das eingehen, was du von deinem Pferd wahrnimmst. Du darfst euren Umgang jeden Tag an das anpassen, was heute (un)möglich ist.

Pferde sind nicht dumm. Sie können zwischen verschiedenen Aufgaben, Situationen und sogar Ausstrahlungen des Menschen unterscheiden.

Frag dich, wann du Konsequenz wirklich brauchst. Und wann nicht.
 
 

Wenn du den Umgang mit deinem Pferd endlich verändern willst – sanft und auf Augenhöhe – dann ist unsere Arbeit genau auf dich zugeschnitten:

Hier erfährst du mehr 🧚.

 

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