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Leckerli fürs Pferd – 7 Gründe, die dagegen sprechen hinterfragt

Würdest du dein Pferd gern mit Leckerli und positiver Verstärkung trainieren, aber so vieles spricht dagegen?

Futter im Training kann Probleme verursachen. Das liegt aber nicht an den Leckerli per se – sondern daran, wie sie eingesetzt werden.

Heute möchte ich dir Mut machen, dich näher mit der positiven Verstärkung auseinanderzusetzen. Dazu nehmen wir die häufigsten Mythen über die Folgen von Leckerli im Umgang mit Pferden unter die Lupe. Wenn du lernst, wie du Futterlob richtig einsetzt, kannst du sanfter mit deinem Pferd umgehen und trainieren. Und dein Pferd auf gewaltfreie Art motivieren.
 
 

1. “Wenn man Pferden zu viele Leckerli gibt, betteln sie ständig danach”

“Ab und an ein Leckerli ist okay. Aber wenn man Pferden zu viele Kekse gibt, fangen sie an zu betteln.”

⇢ Das ist eine verbreitete Fehlannahme.

Betteln tritt seltener auf, wenn Leckerchen zum Alltag des Pferdes gehören. Denn dann ist das Futter keine große Sache mehr.

Stell dir vor, du würdest fast nie etwas zu naschen bekommen. Und dann gibt dir jemand deinen Lieblingssnack. Natürlich fühlt sich das an wie Geburtstag und Weihnachten zusammen. Deinem Pferd geht es ebenso.

Aber wieso kommt es durch sporadische Leckerligaben eher zum Betteln?
 
 

Wieso Pferde anfangen nach Leckerli zu betteln

Damit Pferde nach Leckerli betteln, braucht es zwei Voraussetzungen:

1. Das Pferd muss das Leckerli haben wollen. Es muss motiviert sein, das Futter zu bekommen.
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2. Das Pferd muss vermuten, dass es durch ein bestimmtes Verhalten ans Futter kommen wird.

Wenn du deinem Pferd nur sehr selten ein einzelnes Leckerli gibst, kann es keine Verbindung zwischen Leckerli und seinem Verhalten herstellen. Es lernt, dass es nicht beeinflussen kann, ob und wann es ein Leckerli bekommt. Und deshalb bettelt es auch nicht.

Sobald die Leckerchen aber gezielt im Training eingesetzt werden, merkt dein Pferd, dass es einen Einfluss darauf hat, ob und wann es ein Leckerli bekommt.

Ein “bettelndes” Pferd ist eines, das sich besonders anstrengt: Es versucht herauszufinden, welches Verhalten ihm einen Keks einbringt.

Diese Motivation gilt es nun auf das Verhalten auszurichten, das du dir vom Pferd wünschst.
 


In diesem Artikel erfährst du, wie du deinem Pferd einen höflichen Umgang im Training mit Leckerli beibringst:

Basics Clickertraining: Höflichkeit und Futterlob


 
 

2. “Durch Leckerli werden Pferde rüpelig und fangen an zu schnappen”

Diese Aussage bekommt man häufig zu hören, insbesondere wenn es um das Training von Hengsten geht.
 
 

Wieso tritt vermehrt Schnappen, Beißen und “rüpeliges” Verhalten auf, wenn Pferde Leckerli bekommen?

Futter ist ein starker Motivator. Merkt dein Pferd, dass du Leckerli dabei hast, du ihm aber den Zugang dazu verwehrst, wird das Futter zum Stressor. Dein Pferd weiß nicht, wie es an das Futter kommen soll – so entsteht Stress.

Ein weiterer Stressor, der hinzukommt: Die meisten Pferde fürchten eine Strafe, wenn sie dem Menschen zu nah kommen, schnappen oder beißen.

Im Pferd sind widersprüchliche Impulse aktiv. Es möchte ans Futter. Es möchte aber zugleich die Strafe vermeiden. Dadurch entsteht Anspannung, die das Pferd hektisch werden lässt. Durch das Verlangen nach dem Futter kann es sich schlechter kontrollieren und zeigt das “Fehlverhalten”, obwohl (bzw. teilweise WEIL) es sich vor der Strafe fürchtet. Das Pferd verfällt in Übersprungshandlungen, mit denen es versucht Spannungen abzubauen.

Wenn dein Pferd so angespannt ist, kann es kaum noch auf deine Körpersprache achten. Zugleich wirst du selbst ebenso angespannter, hektischer und körperlicher, weil du dich vor dem rüpeligen Verhalten deines Pferdes schützen willst.

So pusht ihr euch gegenseitig hoch. Ihr behandelt euch immer grober. Das liegt aber nicht am Leckerli, sondern am Stress. Kannst du dein Pferd aber von Anspannung in Entspannung begleiten, macht auch das Futter keine Probleme mehr.
 


Falls Beißen bei deinem Pferd ein Problem ist, hilft dir dieser Artikel herauszufinden, wieso dein Pferd beißt und wie du damit umgehen kannst:

Hilfe, mein Pferd beißt!


 
 

3. “Wenn man mit Leckerli trainiert, konzentriert sich das Pferd nur noch auf das Futter und nicht mehr auf den Menschen und seine Aufgabe”

Grundsätzlich gilt: Dein Pferd lenkt seine Aufmerksamkeit auf das, was sich aus seiner Sicht zu beachten lohnt.

Ist dein Pferd mit seiner Aufmerksamkeit nur bei den Leckerli und ignoriert dich, dann hat es nicht gelernt, dass es ans Futter kommt, indem es auf deine Signale achtet. Für dein Pferd ist das ein ganz logisches Verhalten: Es sucht auf dem direkten räumlichen Weg nach Futter.

Du musst deinem Pferd erklären, dass der Weg zum Leckerli über die Kommunikation mit dir führt. Und schwupps, schon hast du die Aufmerksamkeit.

Wichtig: Es geht nicht um das Verhalten deines Pferdes, sondern um Kommunikation!

Wenn dein Pferd ein Leckerli bekommt abhängig davon, ob es ein Verhalten zeigt oder nicht, entkoppelt sich dein Pferd von eurer Verbindung. Es beginnt, das Verhalten ohne Rücksprache mit dir abzuspulen.

Was kannst du tun, damit dein Pferd das Verhalten nicht einfach abspult? Lege die Bestärkung (das Futterlob) auf die Momente, in denen dein Pferd das Verhalten in Rücksprache und Verbindung mit dir ausführt!

Auf diese Weise bekommst du eine noch stärkere Verbindung als zuvor. Denn nun ist es für dein Pferd angenehm, dir seine Aufmerksamkeit zuzuwenden.
 
 

4. “Ein verfressenes Pferd kann man nicht mit Leckerli arbeiten”

Die Annahme, dass Training mit Futterlob und positiver Verstärkung mit manchen Pferden einfach nicht funktioniert, ist weit verbreitet. Mir ist bisher aber noch kein Pferd begegnet, das den richtigen Umgang mit Leckerli nicht hätte lernen können.
 
 

Was ist überhaupt ein “verfressenes” Pferd? Wieso fahren manche Pferde mehr auf Leckerli ab als andere?

Es gibt Pferde, die sich durch Futter leichter und stärker motivieren lassen als andere. Das sind häufig Pferde, die in ihrem Leben schon mal gehungert haben oder aktuell hungrig ins Training gehen.

Viele “verfressene” Pferde haben auch einfach nicht gelernt, mit dem Stress umzugehen, den sie erleben, wenn Futter zwar anwesend ist, sie aber keinen direkten Zugang dazu haben.

Gerade für diese Pferde ist es wertvoll, einen gelassenen Umgang mit Futterlob zu erlernen.
 
 

Was du verstehen musst, wenn du ein “verfressenes” Pferd mit Futterlob trainieren willst

Der häufigste Fehler im Training mit Futterlob bei “verfressenen” Pferden besteht darin, zu viel Wert auf das Verhalten zu legen. Dem Pferd also über sein Verhalten und Anstrengung einen Weg zum Futter aufzuzeigen. Dadurch wird ein “Dopaminrausch” angekurbelt. Es entsteht immer mehr Anspannung, Stress und Aufregung.

Wenn dein Pferd durch Futter stark aktiviert wird, darf es lernen, sich körperlich und mental zu entspannen. Es muss lernen, dass seine Fixierung auf das Futter nicht notwendig und nicht zielführend ist. In ruhigen Momenten muss Futter dafür reichlich vorhanden sein.

Entscheidend ist, dass du in dir die Entspannung findest, die du dir in deinem Pferd wünschst. Hier erschaffen die meisten Menschen aus gestressten (“verfressenen”) Pferden gefährliche Pferde: Indem sie dem Pferd in dessen Anspannung folgen und weitere Stressreize hinzufügen (Strafe, Abwehr des Pferdes, Hektik…).
 
 

5. “Wenn man keine Leckerchen dabei hat, funktioniert ja dann gar nichts mehr”

Erstmal: Immer Kekse dabei haben zu “müssen” ist viel weniger unpraktisch, als man denkt. Du nimmst ja auch Halfter, Führstrick, eventuell Stick, Gerte, Sattel, Gamaschen, Bandagen, Trensen, Kappzaum und allerlei weiteres Equipment mit zum Pferd. Der Griff zur Futtertasche fällt da nicht ins Gewicht.
 
 

Aber was, wenn dir die Leckerlis ausgehen?

Auch, wenn du dich entscheidest Futterlob mit deinem Pferd zu nutzen, hast du noch immer alle Optionen (4 Quadranten) zur Verfügung. Niemand verpflichtet dich, von jetzt an alles mit positiver Verstärkung zu machen! Du kannst immer noch auf negative Verstärkung und Druck zurückgreifen.

Keine Sorge: Du verwirrst dein Pferd nicht, wenn du manches mit Futterlob trainierst und für andere Aufgaben weiterhin negative Verstärkung (= Nachlassen von Druck) wählst.

⚠️ Mische Druck und Leckerli nur nicht innerhalb einer Aufgabe!

Überlege dir, welche Aufgaben ohne Leckerli funktionieren müssen. Diese Aufgaben kannst du entweder ohne Futter erarbeiten oder das Leckerli ausschleichen, nachdem dein Pferd das Verhalten erlernt hat.
 
 

6. „Ich will nicht, dass mein Pferd das nur für das Leckerli macht. Es soll wegen mir mitmachen.”

Du kannst deinem Pferd schöne und weniger schöne Erfahrungen bereiten. Du kannst Entscheidungen im Sinne deines Pferdes treffen oder Entscheidungen, die deinem Pferd missfallen. Du kannst es kraulen, einfach Zeit mit ihm verbringen, Fliegen verscheuchen und es vor unliebsamen Herdenmitgliedern abschirmen. Du kannst es mit auf Abenteuer nehmen und dich als guter Partner erweisen. Du kannst die Bedürfnisse deines Pferdes erkennen und dafür sorgen, dass es seine Bedürfnisse stillen kann. Du kannst interessanten Input für seinen Geist und Körper liefern. Und du kannst ihm Leckerli geben.

Die Gesamtheit der Erfahrungen entscheidet darüber, wie dein Pferd dich wahrnimmt. Ob es dich mag. Aber ob es dich mag oder nicht entscheidet nicht darüber, ob es im Training gut mitarbeitet.

Eine gute Beziehung wird dein Pferd nicht dazu bringen, für dich Runde um Runde an der Longe zu laufen oder dich stundenlang brav durchs Gelände zu tragen.

Für Trainingsmotivation brauchen wir etwas mehr als die Zuneigung des Pferdes.
 
 

Die Beziehung als Motivator?

Wo kommt der Gedanke her, man müsste nur zum Leittier des Pferdes werden, damit es freiwillig und voller Freude Leistung für einen erbringt?

In den Beziehungen der Pferde untereinander kann ich kein entsprechendes Verhalten finden. Sie geben sich gegenseitig das, was sie auch vom anderen zurückbekommen: Fellpflege, Aufpassen, Spiel. Aber sie bringen darüber hinaus keine Leistung für andere Pferde.

Die Verhaltensweisen, die wir im Training und Umgang von Pferden erwarten, sind kein Teil ihres Herdenverhaltens. Wir können daher auch nicht erwarten, dass die Beziehung zum Menschen allein das Pferd zu diesen Verhaltensweisen motiviert.

Wenn die Beziehung nicht entscheidend zur Motivation beiträgt, dann haben wir die Wahl:

Negative Verstärkung? Oder positive Verstärkung?

Druck machen? Unangenehm werden? Mit Konsequenzen drohen?

Oder Futterlob?

Die Beziehung als Motivator können wir außen vor lassen. Also ist das Verhalten auch nicht weniger wert, wenn es durch Leckerli motiviert ist. Denn wenn es nicht durch Leckerli (oder einen anderen appetitiven Reiz) motiviert ist, dann besteht die Motivation darin, dass das Pferd unangenehme Konsequenzen vermeiden möchte.

Zudem: Das Leckerli ist der Weg, dem Pferd zu beweisen, dass Menschen gute Ideen haben. Dass es sich lohnt, sich auf diese Ideen einzulassen. Das Pferd öffnet sich dem Menschen. Was genau dadurch im Miteinander möglich wird, ist für die Entwicklung der Beziehung entscheidend.
 
 

7. “Mit Leckerli manipuliert man das Pferd – das ist Bestechung.”

Ja, mit Leckerli veränderst du gezielt, welches Verhalten dein Pferd zeigt. Genau, wie mit jeder anderen Art von Training. Genau, wie mit jeder Interaktion zwischen Pferd und Mensch.

Nutzen wir Futterlob und Clickertraining gezielt, wird uns das nur bewusster.

Die meisten Pferde gehorchen dem Menschen, weil sie unangenehme Konsequenzen vermeiden wollen. Das hat nichts damit zu tun, dass sie ganz “natürlich” ihrem Leittier folgen! Mit positiver Verstärkung ausgebildete Pferde, zeigen das gefragte Verhalten, weil sie sich davon erstrebenswerte Konsequenzen versprechen.

Die Frage nach der bösen Manipulation kommt interessanterweise nur auf, wenn es um Futterlob geht.

In Wahrheit wird jedes Pferd manipuliert. Denn in menschlicher Obhut müssen Pferde lernen, bei Aufgaben wie Hufbearbeitung, Führen oder medizinischer Grundversorgung zu kooperieren.

Die Frage ist also nicht, ob wir gezielt Veränderungen im Verhalten des Pferdes anstoßen (= Manipulation), sondern ob diese Veränderungen im Sinne des Pferdes sind und WIE wir sie erarbeiten.

Ich kann ein Pferd durch schmackhaftes Futter dazu bringen, seine Bedürfnisse zu ignorieren und über seine Grenzen hinauszugehen. Das kann ich aber auch mit einer Peitsche tun. Weder das Futter noch die Peitsche noch Training an sich ist schlecht. Schädlich wird all das erst dadurch, dass ich den inneren Prozessen des Pferdes keine Beachtung schenke.
 
 

Relevante innere Prozesse im Training mit Leckerli sind u.a.

 

  • Kann das Pferd die Anfrage ausführen?
  • Fühlt das Pferd sich mit der Aufgabe wohl?
  • Stehen dem Pferd Alternativen (das Anbieten von anderen/nicht gefragten Verhaltensweisen, Verweigern der Antwort) zur Verfügung? Und ist es leicht für das Pferd, diese Alternativen zu wählen?
  • Wird das Pferd durch das Futter und den Trainingsaufbau in einen “Dopaminrausch” versetzt, wodurch es seine anderen Körperempfindungen weniger gut wahrnehmen kann und eine überhöhte Bereitschaft zur Kooperation entwickelt?
  • Hat das Pferd gelernt, dass Leckerli reichlich vorhanden sind und es gelassen mit ihnen und der Trainingssituation umgehen kann?

 
Übrigens: Mit Pferden zu kommunizieren, ohne zu konditionieren, ist nicht möglich. “Reine Kommunikation” gibt es weder zwischen Pferden noch zwischen Menschen und schon gar nicht zwischen Pferden und Menschen. Kommunikation wird erst durch Lernprozesse möglich! Die Bedeutung von Mimik, Gestik und Verhalten muss durch Assoziation von Reizen erworben werden.
 


In diesem Artikel erfährst du, worauf du achten musst, damit Futterlob nicht zur Bestechung wird:

Wie du Futterlob einsetzt, ohne die Freiwilligkeit zu untergraben


 
 

Fazit

Viele Annahmen darüber, wie sich Leckerli auf das Verhalten und die Beziehung auswirken, lassen sich widerlegen, sobald die inneren Prozesse des Pferdes einbezogen werden. Wenn du verstehst, was in deinem Pferd vor sich geht, kannst du es gezielt in seiner Entwicklung unterstützen.

Erst dann kann Futterlob euer sanftes Miteinander bereichern!
 
 

Wenn du dein Pferd sanft und stressfrei mit Futterlob ausbilden möchtest und du dir dafür ein glasklares Vorgehen wünschst:
 
Lass uns dabei helfen, Klarheit zu schaffen 😊🌿

 

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