Läuft dein Pferd auf der Weide oder dem Paddock weg, sobald es dich erblickt oder du dich ihm näherst? Geht es weg, wenn du es zum Training holen willst?
Das erschwert nicht nur euren Alltag. Es tut weh, vom eigenen Pferd die kalte Schulter gezeigt zu bekommen. Und auch auf Seiten deines Pferdes steckt mehr dahinter. Deshalb lass uns herausfinden, weshalb dein Pferd sich nicht einfangen lässt.
Die Erwartung – Was dahinter steckt, wenn dein Pferd sich nicht einfangen lässt
Die Ursache für Verhalten liegt u.a. in der Erwartung der Konsequenz des Verhaltens.
Dein Pferd lässt sich nicht einfangen. Die Frage ist also:
👉 Was erwartet dein Pferd, wenn es mit dir mitgeht?
Was passiert – aus Sicht deines Pferdes – nachdem du es vom Paddock oder der Weide geholt hast? Das ist es, was dein Pferd vermutlich vermeiden will.
☝️ Wichtig zu verstehen: Diese Erwartung muss nicht korrekt sein muss. Vielleicht beruht die Erwartung auf Erlebnissen in der Vergangenheit, die nichts mehr mit dir und eurem heutigen Miteinander zu tun haben.
Es kann aber auch sein, dass die Erwartung von der jüngsten Vergangenheit geprägt ist. Also von dem, was dein Pferd erst kürzlich erlebt hat. Und zwar als es mit dir mitgegangen ist, kurz nachdem du das Halfter angezogen hast oder als ihr Paddock oder Weide verlassen habt.
Die Erwartung kann außerdem aus einem spezifischen Erlebnis heraus entstanden sein. Zum Beispiel aus dem traumatischen Tierarztbesuch, einer eskalierten Trainingseinheit oder einem Geländeunfall.
Sie kann aber auch über die Zeit entstanden sein. Dann haben sich Erlebnisse und Erfahrungen angehäuft, aus denen ein grundlegend unangenehmes Gefühl entstanden ist. Ein Gefühl, dass dein Pferd jetzt damit assoziiert, mit dem Menschen Paddock oder Weide zu verlassen.
🌿 Aus diesen Möglichkeiten für die Entstehung der Erwartung können wir jetzt drei Fragen ableiten. Damit kommst du der Ursache dafür, dass dein Pferd wegläuft, schon etwas näher.
Drei Fragen, mit denen du herausfindest, weshalb dein Pferd sich nicht einfangen lässt
Frage 1: Hat dein Pferd in der Vergangenheit Erfahrungen gemacht, die dafür verantwortlich sein könnten, dass es sich nicht einfangen lassen will?
Wenn ihr euch erst seit kurzem kennt, ist das recht wahrscheinlich. Es kann aber auch sein, dass die Erinnerung an frühere schlechte Erfahrungen durch etwas geweckt wurde, was dein Pferd kürzlich erlebt hat. Das muss nicht unbedingt etwas gewesen sein, was du als besonders schlimm wahrgenommen hast. Aber es hat bei deinem Pferd ein starkes Gefühl hervorgerufen.
Frage 2: Hat dein Pferd in der letzten Zeit eine spezifische negative Erfahrung gemacht, die es auf keinen Fall erneut erleben will?
Vielleicht musste dein Pferd eine unangenehme medizinische Behandlung über sich ergehen lassen, eine Trainingseinheit mit dir oder einer anderen Person (denke auch an Reitbeteiligung, Bereiter*in, Trainer*in und alle anderen Menschen, mit denen dein Pferd Kontakt hat) ist eskaliert oder dein Pferd hat einen Unfall erlebt.
Hinweis: Es kann sich hierbei auch um ein Erlebnis handeln, dass aus unserer menschlichen Sicht nicht besonders schlimm ist – aus Sicht deines individuellen Pferdes aber schon! Versetze dich also in dein Pferd hinein 🐴.
Frage 3: Ist das Verhalten über einen längeren Zeitraum entstanden und tritt immer stärker auf?
Dann ist es wahrscheinlich nicht Das Eine schlimme Erlebnis, vor dem dein Pferd sich schützen will, sondern viele unschöne oder unangenehme Momente, die sich aufsummiert haben und deinem Pferd Unwohlsein bereiten. Hier geht es mehr um ein negatives Gefühl, dass über die Zeit entstanden ist und das dein Pferd nun mit dir oder Menschen generell und eurer Interaktion verknüpft.
Dein Pferd lässt sich nicht einfangen – Weglaufen als erlerntes Verhalten
Bei vielen Pferden trifft zumindest einer der drei Punkte zu – und sie lassen sich trotzdem problemlos einfangen.
Wieso ist das so ?
Weglaufen, wenn der Mensch kommt, ist ein erlerntes Verhalten.
Ich glaube, dass viel mehr Pferde sich weniger leicht einfangen lassen würden – wenn es nur auf die drei Punkte ankäme. Aber die meisten Pferde haben früh gelernt, dass das aussichtslos ist. Denn am Ende kriegt der Mensch einen doch.
Dein Pferd hat wahrscheinlich die Erfahrung gemacht, dass es sich durchs Weglaufen zumindest für eine Zeit deiner Einwirkung entziehen kann. Es hat mit seinem Verhalten also sein Ziel erreicht.
Jetzt liegt der Gedanke nahe, es deinem Pferd einfach unmöglich zu machen, sich dir zu entziehen.
Natürlich könntest du damit das Verhalten abstellen. Dein Pferd ließe sich wieder einfangen.
❌ Das Problem bestünde aber weiter. Zumindest aus Sicht deines Pferdes – denn die traumatische Erfahrung, das unangenehme Gefühl im Zusammensein mit Menschen, die Angst vor einem bestimmten Ereignis – verschwindet nicht einfach. Dein Pferd hätte nur gelernt, dass sich Weglaufen nicht lohnt.
Keine schöne Lösung, oder? ❤️
Solltest du deinem Pferd das Weglaufen abgewöhnen, oder…?
Schmerzen, Angst, Stress, Unwohlsein im Umgang, Überforderung im Training – all das kann dazu führen, dass die Gefühlswaage deines Pferdes aus dem Gleichgewicht gerät. Dann überwiegen die negativen Empfindungen, die es in deinem Beisein erlebt.
Statt dich also zu fragen, was du tun kannst, damit dein Pferd nicht mehr wegläuft, frage dich lieber:
Was kannst du tun, damit dein Pferd wieder hauptsächlich positive Empfindungen mit dir verknüpft?
Was kannst du tun, damit dein Pferd gar keinen Grund mehr hat, sich nicht einfangen zu lassen?
Und: Was kannst du im ersten Schritt tun, damit dein Pferd es als angenehm uns sicher empfindet, wenn du dich ihm auf dem Paddock oder der Weide näherst?
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