Wie baut man eigentlich eine Pferd-Mensch-Beziehung auf Augenhöhe auf?
Es gibt Bücher darüber, wie die Pferd-Mensch-Beziehung aussieht, wenn sie auf Dominanz, Kontrolle und Rangordnung basiert. Immerhin ist das das Mindset, in dem die meisten Reiter groß werden. Es ist ganz klar, was man Pferden nicht durchgehen lassen darf. Wie sie erzogen werden. Wie man sie trainiert. Es ist ganz klar, solange der Mensch über dem Pferd verweilt – seine Macht ausübt und das höchste Ziel jenes ist, das Pferd für menschliche Zwecke nutzbar zu machen.
Aber es sieht mau aus, wenn es darum geht eine Pferd-Mensch-Beziehung auf Augenhöhe zu führen. Wenn es darum geht, sanft mit Pferden umzugehen. Wenn das höchste Ziel nicht in der Nutzung des Pferdes als Reittier besteht – sondern in der Verbindung zwischen Pferd und Mensch. In der Verbindung zu einem Wesen mit eigener Persönlichkeit.
Sensible Pferdemenschen dabei zu unterstützen, diese Art der Beziehung zu ihren Pferden aufzubauen ist unsere Herzensarbeit. Aus unserem Austausch und unserer Erfahrung konnten wir ein Modell der Pferd-Mensch-Beziehung auf Augenhöhe ableiten.
Wir werden uns mit diesem Modell in einer Beitragsreihe widmen. Diese Serie wird die folgenden Artikel umfassen:
1. Das Modell der Pferd-Mensch-Beziehung auf Augenhöhe 👈 Du bist hier.
2. Die 4 Phasen der Pferd-Mensch-Beziehung auf Augenhöhe
3. (Un)Learning – Die 1. Phase der Pferd-Mensch-Beziehung auf Augenhöhe
4. Nurturing – Die 2. Phase der Pferd-Mensch-Beziehung auf Augenhöhe
5. Coalescing – Die 3. Phase der Pferd-Mensch-Beziehung auf Augenhöhe
6. Flourishing – Die 4. Phase der Pferd-Mensch-Beziehung auf Augenhöhe
Wir beginnen mit einer Vorstellung des Modells, betrachten dann den Ablauf der vier aufeinander folgenden Phasen und schließlich jede einzelne Entwicklungsphase im Detail.
Ich wünsche dir viel Spaß und einige Aha-Momente 🌿!
Wozu brauchen wir ein Modell der Pferd-Mensch-Beziehung auf Augenhöhe?
Der Wunsch, deinem Pferd ein Mitspracherecht zu geben und es als eigenständiges Wesen mit eigenen Bedürfnissen und einem eigenen Willen zu respektieren – sprich, eine Beziehung auf Augenhöhe zu führen – löst eine umfassende Entwicklung aus. Allein die Entscheidung sanfter mit deinem Pferd umzugehen zieht eine Reihe von Konsequenzen nach sich, die du anfangs kaum absehen kannst.
Es ist wie eine neue Welt zu betreten, in der die alten Regeln nicht länger gelten.
Aber es gibt Regeln. Denn die Entwicklung von einer Pferd-Mensch-Beziehung, die auf dem konventionellen Umgang beruht, hin zu einer Beziehung auf Augenhöhe folgt einem Muster. Einzelne Schritte bauen logisch aufeinander auf.
Sanftheit, Vertrauen, Harmonie, Freude, Leichtigkeit, Verbundenheit – all das entspringt der Beziehungsarbeit. Aber ohne ein Verständnis für die einzelnen Schritte mit denen sich die Pferd-Mensch-Beziehung entwickelt, wird der Weg dahin chaotisch, nervenaufreibend und viel steiniger als er sein muss.
Deshalb möchte ich dir in dieser Beitragsserie einen Überblick geben:
In welchen Phasen verläuft die Entwicklung der Pferd-Mensch-Beziehung auf Augenhöhe?
Was sind die einzelnen Schritte, die du gehen musst, um einen sanften Umgang mit deinem Pferd dauerhaft möglich zu machen?
Wie bauen die Ereignisse in den einzelnen Phasen logisch aufeinander auf?
Aber bevor wir die Entwicklung betrachten, sollten wir uns das Ziel genauer anschauen.
Was bedeutet “auf Augenhöhe” in der Pferd-Mensch-Beziehung?
Eine Beziehung zwischen Pferd und Mensch auf Augenhöhe ist ein Ideal. Etwas, das wir niemals vollkommen erreichen können.
Wieso?
Mensch und Pferd sind keine komplett gleichberechtigten Wesen. Ob richtig oder falsch:
Menschen haben Macht über Pferde.
Wir haben Möglichkeiten. Wir können kontrollieren, unter Druck setzen, zwingen.
Unsere Pferde haben nur die Möglichkeiten, die wir ihnen zugestehen. Nur so viel Macht, wie wir ihnen einen Einfluss erlauben.
Unter dieser Voraussetzung können wir uns einer Beziehung auf Augenhöhe nur annähern.
Um das zu erreichen, müssen wir an erster Stelle erkennen, auf welch vielfältige Weise wir Macht über unsere Pferde ausüben. Wie viele Entscheidungen triffst du jeden Tag, in die dein Pferd involviert ist? Wie selbstverständlich verfügst du über seinen Körper?
An zweiter Stelle müssen wir den Pferden einen Einfluss auf das Geschehen ermöglichen. Aktiv.
Erinnere dich: Dein Pferd hat keine Macht über dich. Es kann nur beeinflussen, wenn du das aktiv zulässt. Wenn du es aktiv möglich machst.
Das allein erfordert unheimlich viel Bewusstheit von deiner Seite. Und die Bereitschaft einzusehen, dass du kein Recht darauf hast, über den Körper deines Pferdes zu verfügen – wir alle es aber dennoch tun. Das kann schmerzhaft sein. Und macht demütig.
Du erkennst, dass dein Pferd ein Wesen mit eigenem Willen und eigenem Charakter ist. Dass es Bedürfnisse, Ideen und Wünsch hat. Eine Beziehung, die sich der Augenhöhe annähert erfordert, dass du dafür Raum schaffst. Für dein Pferd. Und alles eigene, das es in eure Interaktion mitbringt.
Eine Beziehung auf Augenhöhe bezieht die Interessen beider Seiten ein – deine UND die deines Pferdes.
Was beinhaltet das Modell der Pferd-Mensch-Beziehung auf Augenhöhe?
Jetzt, da wir wissen worum es in unserem Modell geht und was das Ziel ist, lass uns über das sprechen, was drin steckt.
1. Die vier Phasen der Pferd-Mensch-Beziehung auf Augenhöhe
Das Modell beschreibt vier Phasen in der Entwicklung der Pferd-Mensch-Beziehung auf Augenhöhe. Diese vier Phasen sind
- 1. (Un)Learning
2. Nurturing
3. Coalescing
4. Flourishing
Wir werden noch im Detail darauf eingehen, was in diesen Phasen genau vor sich geht.
Sobald du den Wunsch nach mehr Sanftheit und einer gleichberechtigten Beziehung wahrnimmst, startest du deine Reise durch die vier Phasen.
2. Die Entwicklung innerhalb der Phasen
In jeder Phase vollziehst du mit deinem Pferd mehrere wichtige Entwicklungsschritte. Interessant sind sowohl die Unterschiede zwischen den Phasen als auch die Geschehnisse innerhalb einer Phase selbst.
Jede Phase startet an einem konkreten Punkt. Und sie endet, wenn du die Aufgaben gemeistert hast, die mit ihr einhergehen.
3. Aufgaben
In jeder Phase stehst du vor ganz bestimmten Aufgaben. Wenn du die Aufgaben einer Phase nicht hinreichend bewältigst, kannst du in der nächsten Phase nicht darauf aufbauen. Daraus entstehen Konflikte zwischen Mensch und Pferd.
Hast du das Gefühl, im Umgang mit deinem Pferd festzustecken? Womöglich versuchst du Aufgaben einer fortgeschrittenen Phase zu lösen, während die Basis in der vorangegangenen Phase noch nicht gefestigt ist.
Ohne ein Bewusstsein für den logischen Aufbau der Schritte ist es nahezu unmöglich, das zu bemerken.
Das MPMB gibt dir einen klaren Fokus.
Wenn du die nächsten Entwicklungsschritte kennst, kannst du dich mit den Aufgaben befassen, die gerade wirklich anstehen. Statt immer drei Schritte vorauszueilen und doch nicht voranzukommen. Das ist zielgerichtete Beziehungsarbeit.
4. Schwierigkeiten
Wo es Aufgaben zu bewältigen gilt, da gibt es auch Schwierigkeiten. Und wenn es um Schwierigkeiten geht, ist Bewusstsein und Vorbereitung alles.
Du möchtest nicht von Schwierigkeiten überrascht werden, wenn du dich gerade mitten in einer wichtigen Veränderung der Dynamik zwischen dir und deinem Pferd befindest. Deshalb ist es wichtig, nicht nur einen klaren Fokus zu haben, sondern auch mit Weitblick mögliche Probleme voraussehen zu können. Bevor sie eintreten.
Ein einziges Modell für jede Pferd-Mensch-Beziehung? Raum für Individualität
Das MPMB ist aus unseren Beobachtungen ganz verschiedener Pferd-Mensch-Paare abgeleitet. Deshalb kann es jedoch noch lange nicht jede mögliche Entwicklung detailgetreu abbilden.
Es beschreibt den Prozess, den wir grob aus der Vielzahl unserer Beobachtungen extrahieren konnten.
Deine Vorgeschichte, die deines Pferdes, eure Persönlichkeiten, euer bisheriger Umgang und vieles mehr beeinflusst diesen Prozess. Als relativ allgemeingültig haben sich aber die Aufgaben erwiesen, die sich in der Entwicklung einer Pferd-Mensch-Beziehung auf Augenhöhe stellen.
Wir haben nicht den Anspruch auf Allgemeingültigkeit. Jedes Modell ist der Versuch einer Vereinfachung. Darunter wird die Individualität immer leiden müssen.
Deshalb nimm das MPMB als Vorschlag, als Orientierung, als Mittel zur Selbstreflexion.
Die Phasen, deren Aufgaben und Schwierigkeiten sind in der Realität weniger klar voneinander abgrenzbar als die vier Phasen implizieren. Aber wie gesagt: Es geht darum, ein neues Verständnis zu entwickeln. Und dafür müssen wir vereinfachen, bevor wir der Komplexität im Einzelfall gerecht werden können.
Nimm, was dir hilft und lass den Rest hier 😘.
Fazit – Positive Entwicklung der Pferd-Mensch-Beziehung
Die positive Entwicklung der Beziehung zwischen dir und deinem Pferd ist hauptsächlich eines:
Eine Frage des Fokus.
Eine Frage des Verständnis für deine eigene Entwicklung, der Entwicklung deines Pferdes und der Dynamik zwischen euch.
Du brauchst den Überblick über den gesamten Prozess UND du braucht Klarheit darüber, was jetzt gerade für dich und dein Pferd und für euer Miteinander entscheidend ist.
Für den Überblick über den gesamten Prozess schauen wir uns im nächsten Teil dieser Beitragsserie die vier Phasen im MPMB genauer an.
Zum nächsten Artikel dieser Reihe 👉 2. Die 4 Phasen der Pferd-Mensch-Beziehung auf Augenhöhe
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