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Stellung in der Gymnastizierung

In diesem Artikel schauen wir uns folgendes zum Thema Stellung an:

  • Wozu erarbeiten wir sie überhaupt?
  • Was passiert anatomisch bei der Stellung?
  • Welche Rolle die Losgelassenheit spielt
  • Und wie du dir eine korrekte Stellung erarbeitest

 

Wozu Stellung?

Die Stellung im Genick löst eine Kettenreaktion in der Wirbelsäule aus, die sich im gelösten (also unverspannten) Pferdekörper bis zum Becken fortsetzt und eine korrekte Längsbiegung ermöglicht. Bleibt das Genick in der falschen Lage (also in einer Gegenrotation), ist Längsbiegung unmöglich.
 

Die korrekte Stellung des Pferdes sorgt für ein lockeres und frei bewegliches Genick und einen entspannten Kiefer.

 
Beides wiederum sind Voraussetzungen für einen losgelassenen und schwingenden Rücken sowie die funktionierende Kraft- und Schwungübertragung der Hinterhand in die Wirbelsäule.
 

Was passiert da eigentlich anatomisch?

Anatomisch betrachtet wird die Stellung durch die Bewegung zwischen dem Hinterhauptsbein und dem 1. Halswirbel (Atlas) gekennzeichnet⁠.⁠ Dieser Übergang wird auch als Atlantookzipitalgelenk bezeichnet.

Beim Atlantookzipitalgelenk  handelt es sich um ein Gelenk, das neben Beugung und Streckung auch leichte Seitneigung zulässt. Eingeschränkt wird diese unter anderem durch knöcherne Fortsätze (die Procc. paracondylaris) und die umliegenden Gewebestrukturen. Die maximal mögliche Stellung beträgt gerade einmal 27 Grad.
 

Stellung ist eine weitaus kleinere Bewegung, als häufig angenommen wird.

 
Oft wird Stellung mit Halsbiegung verwechselt. Das Pferd kann seinen Hals aber deutlich stärker abstellen als es sich im Genick stellen kann!

Die Bewegung im Atlantookzipitalgelenk führt zu einer entgegengesetzten Rotation im nachfolgenden Gelenk, nämlich dem Übergang vom ersten (Atlas) zu zweiten (Axis) Halswirbel. Die entgegengesetzte Rotation in der Seitneigung ermöglicht es, den Kopf in der Mitte und den Blick geradeaus zu lassen. Außerdem bleibt so der Gelenksspalt ausreichend geöffnet, sodass die wichtigen Nervenstränge genug Platz haben.

In der korrekten Stellung verschiebt sich der Unterkiefer des Pferdes nach außen. Sichtbar wird das daran, dass die äußere Zahnreihe des Pferdes unten und oben aufeinander aufliegt. Das liegt daran, dass der Unterkiefer des Pferdes kleiner ist als sein Oberkiefer. Somit können die Zahnreihen immer nur auf einer Seite aufeinander spuren. Damit das funktioniert muss die Kaumuskulatur ausreichend gelöst sein.
 

Unterschied zwischen Stellung und Biegung

Die oben angesprochen Gelenke – das Atlantookzipitalgelenk und das Gelenk zwischen Atlas und Axis – sorgen für eine reine Kopfbewegung, die weitestgehend unabhängig vom Rest der Wirbelsäule ablaufen kann.

Der Unterschied zwischen Stellung und Biegung besteht also darin, dass  Stellung nur das Geschehen in der Genickregion des Pferdes beschreibt,  wohingegen die Biegung sich durch das ganze Pferd zieht.

Jedoch besteht folgender (notwendiger) Zusammenhang zwischen Stellung und Biegung:

Biegung ist ohne Stellung unmöglich. Stellung ist jedoch ohne Biegung möglich.
 

Wie viel Stellung ist richtig?

Die mögliche Stellung ist einerseits anatomisch begrenzt (siehe Abschnitt: „Was passiert eigentlich in der Stellung?“) und zum anderen abhängig von der Losgelassenheit des Pferdes. Je besser das Pferd sein Genick muskulär loslassen kann, umso leichter kann es sich stellen. Außerdem kommt es auf folgende Merkmale an:

  • die Ohren sind auf einer Höhe
  • der Pferdekopf ist zwischen ersten und zweiten Halswirbel beweglichm ohne dass sich der gesamte Pferdehals abknickt
  • der Unterkiefer folgt der Stellung entsprechend in seiner Position nach außen
  • der Mähnenkamm des Pferdes springt nach innen über (dies verrät, ob die Stellung korrekt vom Unterkiefer in die Halswirbel übertragen werden konnte)

 

 

Eine falsche Stellung zeigt sich im Verwerfen, so wie auf diesem Bild.
 

Beim Verwerfen findet eine Drehung im zweiten Halswirbelgelenk (Übergang von Atlas und Axis) statt, anstatt wie gewünscht ausgehend vom Atlantookzipitalgelenk.

 
Fehlerhaft ist außerdem der Versuch der Stellung bei einem Pferd, das sich hinter der Senkrechten befindet: Dabei heben sich die Knochenvorsprünge des Schädels unter die Flügel des ersten Halswirbels (Atlas) und blockieren dadurch das Genick für jede Seitwärtsbewegung.

Das ist der Grund, warum eine korrekte Stellung nur funktioniert, wenn die Nase den vordersten Punkt des Pferdes bildet.
 

⁠Die Rolle der Losgelassenheit für die Stellung

Viele Menschen glauben, dass Stellung etwas ist, was man mechanisch von außen „herstellen“ kann.
 

Tatsächlich ist Stellung aber eine Haltung, die das Pferd selbstständig einnehmen muss.

 
Stellung ist normalerweise kein Problem für ein muskulär gelöstes Pferd – falls doch, sollte ein Ostheopath das Pferd behandeln! Jedoch klemmt es in der Realität bei vielen Pferden im Genick. Damit nämlich der zweite Halswirbel von einer auf die andere Seite wechseln kann, muss er einen deutlichen Widerstand überwinden. Dieser Widerstand nimmt zu, je höher das Pferd den Kopf trägt und je weniger Ganaschenfreiheit es aufweist. Hinzu kommt, dass im Genickbereich starke Muskeln und Bänder verlaufen.
 
Stellung
 
Damit es so harmonisch wie hier (trotz hoher Kopfhaltung aussieht) muss eines klar sein:

Versuchen wir den Widerstand im Genick durch Zwang zu überwinden, wird das Pferd sich verwerfen und/oder im Hals abknicken und sich in der Wirbelsäule verdrehen – um den (ich sage das ganz klar) unangenehmen oder sogar schmerzhaften Druck auszuweichen. Wichtig ist daher, dass man beim Stellen immer warten muss, bis das gegenüberliegende Band und die Muskulatur „loslässt“. Und das kann das Pferd nur selbst tun. Wir dürfen hierbei geduldig und sanft mit unseren Händen sein.

Die notwendige Voraussetzung für Stellung ist also die Losgelassenheit.
 


Bei der Gymnastizierung haben wir auch oft mit dem Problem von Verspannungen aufgrund von zu viel Schubkraft zu kämpfen. Wenn du mehr über die Schubkraft erfahren willst, folge einfach diesem Link:  Über Schub- und Tragkraft in der Pferdeausbildung


 
Auch bei der unsachgemäßen Nutzung der Ausrüstung kann die Losgelassenheit verloren gehen. Gelangt beispielsweise durch ein Trensengebiss großer Druck auf das Kiefergelenk, wird es unter Zuhilfenahme der Kaumuskulatur und des Schulter-Zungenbeinmuskels festgestellt. Eine Verspannung dort führt zu Problemen mit der Stellung, Taktfehlern, Bewegungsstörungen und sogar zum Verlust des Raumgriffs.

Wer einfach innen am Trensenring zieht, wird außerdem eine falsche Unterkieferrotation – nämlich nach innen – verursachen. Zu diesem Thema kannst du dir dieses fantastische Video von Chrstin Krischke ansehen.

Stattdessen empfiehlt es sich, einen sehr gut sitzenden Kappzaum zu verwenden (siehe folgender Abschnitt), da dieser direkt über das Nasenbein auf den Schädel einwirkt und so nicht die Gefahr der falschen Unterkieferverschiebung besteht.
 

So funktioniert’s:

Als Ausrüstungsgegenstand empfehlen wir einen gut sitzenden Kappzaum.


 
Der Mensch stellt sich dann vor sein Pferd und hängt die Longe oder einen längeren Führzügel in den mittleren Kappzaumring ein. Die Hand an der Longe fragt das Pferd durch leichte Impulse bei geöffneter Hand danach, ob es seinen Kopf senken und damit das Genick lösen (also die Muskeln dort entspannen) mag.

Entsteht hier bereits ein Widerstand, sollten wir keinesfalls mit Kraft dagegen anarbeiten!
 

Wir verlangen hier von einem Fluchttier, dass es die Kontrolle über die Umwelt aufgibt und sich durch uns formen lässt – dazu gehört ein gutes Stück Vertrauen.

 
Wir können diese Bereitschaft den Kopf zu senken leichter erarbeiten, indem wir besonders geduldig und einfühlsam arbeiten. Besonders das Clickertraining hat sich hier bewährt, um bereits die allerkleinsten Ansätze in die richtige Richtung positiv zu verstärken.
 
Stellung
 

Wenn das Kopfsenken gut klappt, kann der Mensch einen stellenden Impuls nach links oder rechts geben und dabei folgendes überprüfen:

  • hat die Ganasche genug Platz, um unter den ersten Halswirbel zu rotieren?
  • sind die Ohren auf einer Höhe?
  • kann ich den Kopf wirklich nur zwischen ersten und zweiten Halswirbel bewegen ohne dass sich der gesamte Pferdehals abknickt?
  • folgt der Unterkiefer der Stellung entsprechend in seiner Position nach außen?
  • springt der Mähnenkamm des Pferdes nach innen über?

 
Wenn du diese Punkte beachtest, wirst du die Stellung sicherlich in Zukunft in Leichtigkeit gemeinsam mit deinem Pferd meistern können!
 

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9 Comments


katja hahne
18. Oktober 2020 at 14:48
Reply

Vielen Dank für diesen inspirierenden newsletter! ***

Vor ein paar Tagen hatte ich mir schon ein Notizbuch für meinen anderen online-Kurs bei Anna rausgesucht ohne bisher ein Wort aufgeschrieben zu haben. Eure tollen Fragen haben mich begeistert aufspringen und die ersten Seiten vollkritzeln lassen. Dank euch freue ich mich jetzt schon auf die gemütliche und sanfte dunkle Jahreszeit.


    Jana
    19. Oktober 2020 at 12:51
    Reply

    Das freut uns sehr, liebe Katja! Dann ganz viel Spaß beim Journaling…

Samira
20. Oktober 2020 at 13:42
Reply

Toller, informativer Newsletter???? das Gelesene werde ich später direkt mit in den Stall nehmen. Wir arbeiten auch gerade an Stellung und Biegung im Stand. Das passt gerade super. Kopf senken klappt schon gut, das Loslassen (sprich Abkauen und entspannen) in dieser Position ist noch schwierig. Aber wir arbeiten dran????


    Jana
    20. Oktober 2020 at 13:55
    Reply

    Hallo liebe Samira,

    vielen lieben Dank für deinen Kommentar! Ich wünsche dir ganz viel Erfolg und Freude beim Üben mit deinem Pferd!

    Liebe Grüße,
    Jana

Tanja
7. April 2022 at 11:38
Reply

Hallo, danke für diesen tollen Artikel! Endlich habe ich das mal ausführlich erklärt bekommen. Kleine Anmerkung: der Link im Text führt zu einem Video von Blindly follow horses über Gebisse, auch sehr interessant, aber nicht zu dem erwähnten Video von Christin Krischke. Guckt ihr mal? LG Tanja


    Tanja
    7. April 2022 at 11:40
    Reply

    aaah ich habs schon selber gemerkt, das Video ist nicht VON, sondern MIT Christin!!!

    Jana
    7. April 2022 at 11:42
    Reply

    Das freut mich riesig! Danke für deine Rückmeldung. Genau, das Video ist von blindlyfollowhorses und Christin erklärt das gemeinsam mit Jenny. Ist eines meiner liebsten Videos zu dem Thema 🙂

Jessica
25. April 2022 at 2:46
Reply

Hallöchen
um es mit dem nächsten Pferdchen besser zu machen lese ich bereits seit Tagen begeistert deinen Blog. 🙂
Besonders die positive Verstärkung ist mir wichtig und sie so weit wie möglich mit dem Reiten in der Zukunft zu vereinbaren. So stellt sich mir auch hier die Frage, ob die Impulse schon als aversiver Druck wahrgenommen werden? Oder ist es der nötige Kompromiss in Verbindung mit clickern?
Gerade beim Reiten/Gymnastizieren gibt es natürlich eine Menge Ausrüstung die über Impulse funktionieren, wie der Kappzaum. Da würde mich deine Meinung interessieren, wie man das am besten zusammenbringt.
Viele Grüße 🙂


    Jana
    25. April 2022 at 9:49
    Reply

    Hallo liebe Jessica,

    erstmal freut es uns sehr, dass dir der Blog so gut gefällt – er ist wirklich unser Herzstück und neben unserer Arbeit fließt alle Liebe in den Blog und in den Newsletter. Daher freut es uns sehr, dass er das tut, was er tun soll 😊.

    Zu deiner Frage bezüglich aversiven Impulsen in der Gymnastizierung und dem Clickertraining möchte ich dir keine „Ja/Nein“ Antwort geben, sondern eine Leitfrage mit auf den Weg geben. Die lautet: „Was empfindet MEIN Pferd als aversiv?“ Druck muss nicht = aversiv heißen.

    Für ein körperbetontes, selbstbewusstes Pferd wie Nathan ist ein kleiner Impuls am Kappzaum nicht per se aversiv. Auch Druck ist für ihn etwas ziemlich natürliches, er verbringt seinen Alltag selbst mit viel „krach und bumm“ 😉 . In der gymnastzierenden Arbeit nutzen wir auch bspw. ein treibendes Gertensignal statt eines Targets. Für ihn wird Druck erst dann aversiv, wenn dieser Druck 1) dazu führt, dass er körperlich aus der Balance gebracht wird oder 2) er sich dem Druck nicht mehr leicht verweigern kann, also zu stark ist.

    Daher achten wir darauf, dass wenn wir Druck nutzen, dass Nathan sich immer noch auf leichte Weise verweigern und „Nein“ sagen kann UND darauf, dass der Druck möglichst zu einem besseren Körpergefühl führt. Ansonsten ist Druck tatsächlich aversiv.

    Bei einem Pferd, das in seinem Leben bereits die Erfahrung gemacht hat, durch Druck über seine eigenen körperlichen und mentalen Grenzen gedrängt zu werden, würden wir das anders handhaben. Hier kann der Druck, der bei Nathan noch unproblematisch ist, schon diese Erfahrungen antriggern und so das Training mit der positiven Verstärkung vergiften. Hier würde ich zunächst Wert darauf legen, dass dieses Pferd versteht, dass es jederzeit „Nein“ sagen darf und gehört wird. Dass seine Bedürfnisse zählen und geachtet werden. Erst unter dieser Voraussetzung ist für uns auch die positive Verstärkung ein ethisch vertretbares Werkezeug – denn auch mit clickern kann ein Pferd zu aversiven Dingen gebracht werden.

    Es kommt daher zusammengefasst für uns darauf an, dass die Grundlagen stimmen (Autonomie, gutes Körpergefühl, emotionales Wohlbefinden) – dann werden letztendlich alle Werkzeuge wie Druck, Markersignal, Futterlob, Berührung, Seil, Ausrüstungsgegenstände etc. zu Bereicherungen für das Sein mit dem Pferd.

    Ich hoffe, dieser Perspektivwechsel war hilfreich und beantwortet deine Frage.

    Hab einen guten Wochenstart!

    Liebe Grüße,
    Jana

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