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Wenn Pferde nicht wollen: Widersetzlichkeiten bei Alltagsaufgaben

In diesem Artikel erklären wir

  • wieso uns das Clickertraining begeistert,
  • worin das Problem mit sanftem Druck besteht
  • und wie du Konflikte mit positiver Verstärkung gewaltfrei lösen kannst.

Viel Spaß beim Lesen!

Jana und ich haben uns nicht für das Clickertraining entschieden, weil es in jedem Fall moralisch korrekter ist als andere Trainingsmethoden. Es geht uns nicht darum, ausschließlich mit positiver Verstärkung zu trainieren und wir denken nicht, dass negative Verstärkung Pferde per se unzufrieden macht.
 

Im Alltag begeistert uns das Clickertraining, weil es uns erlaubt, Widerständen des Pferdes mit Sanftheit zu begegnen.

 

Das Problem mit sanftem Druck

Natürlich können wir Pferden auch auf sanfte Weise Druck machen. Doch Druck auszuüben ohne den Druck zu steigern birgt die Gefahr, dass sich das Pferd an den unangenehmen Reiz gewöhnt. In der Lerntheorie sprechen wir von Habituation oder Desensibilisierung.

Ein bisschen Druck zu machen kann funktionieren – wenn wir das Pferd grundlegend auf unserer Seite haben. Das heißt, solange meine Idee den Bedürfnissen, Ideen und Zielen des Pferdes nicht zu sehr widerspricht, muss ich nicht auf große Drucksteigerungen zurückgreifen. (Aber Vorsicht: Das trifft auch zu, wenn mein Pferd schon gelernt hat, dass auf leichten Druck bei ausbleibender Reaktion deutlich unangenehmere Konsequenzen folgen.) Ich kann sanft mit Pferden umgehen, ohne positiv zu verstärken.
 

Aber was mache ich, wenn meine Idee den Zielen meines Pferdes entgegensteht?

 
Zum Beispiel wenn mein Pferd gern links und ich rechts abbiegen will?
 

Wie positive Verstärkung den Umgang mit Konflikten erleichtert

 
Mir fallen auf Anhieb zahlreiche Situationen im Alltag mit Pferden ein, in denen die Bedürfnisse von Pferd und Mensch sich entgegenstehen:
Hängertraining, Hufe geben, gruselige Objekte passieren, sich zu einem bestimmten Zeitpunkt auf eine bestimmte Weise für eine bestimmte Dauer bewegen (jegliche Arbeit in der Bahn), medizinische Behandlungen ertragen und viele mehr.

Konflikte sind kaum zu vermeiden. Sie gehören zu allen Beziehungen zwischen Lebewesen. Wir wollen nicht alle zur gleichen Zeit dasselbe. Oft haben wir ganz unterschiedliche Bedürfnisse.

Ich möchte vorwegnehmen, dass es ganz wunderbare Menschen gibt, die solche Konflikte auch mit negativer Verstärkung auflösen. Entscheidend ist die Achtsamkeit für die Bedürfnisse von Pferd und Mensch und die Fähigkeit, Kompromisse zu finden ohne die Grenzen des Pferdes zu überschreiten.

Die positiven Verstärkung erleichtert uns den Umgang mit Konflikten. Sie gibt uns ein Mittel an die Hand, mit dem wir dem Pferd einen Grund geben, sich einem Ziel anzunähern. Sie erspart uns nicht, uns mit den Bedürfnissen des Pferdes auseinanderzusetzen. Doch sie erspart es uns, Druck gegen das Pferd aufzuwenden.
 

Das Prinzip der Annäherung

Im konventionellen Training bringen wir dem Pferd bei, vor Druck zu weichen. Es lernt, dass es den Druck beenden kann, indem es ein bestimmtes Verhalten zeigt. Das Pferd zeigt das Zielverhalten also, um den Druck zu vermeiden.

Im Clickertraining drehen wir dieses Prinzip um und geben dem Pferd (gewöhnlich über Futterlob) einen Grund, sich dem Zielzustand anzunähern. Wir geben dem Pferd etwas, das es haben möchte, statt ihm etwas zu präsentieren, das es lieber vermeidet.

Doch was genau kann ich tun, wenn ich nicht mit der Gerte wedeln will, damit mein Pferd einen Schritt in den Hänger macht?
 

Annäherung bestärken

Statt Annäherung und Verhalten zu erschaffen, indem ich Druck mache, bestärke ich jede Annäherung, die vom Pferd selbst ausgeht. Das gibt dem Pferd große Kontrolle über die Geschehnisse im Training.

Mit „Annäherung“ meine ich dabei keinen ganzen Schritt, ja, nicht einmal eine Gewichtsverlagerung. Eine Annäherung kann ein Gedanke sein, ein Auge oder ein Ohr, dass sich mir und dem betreffenden Gegenstand zuwendet. Eine Annäherung kann eine innere Haltung des Pferdes sein, die sagt „Das ist mir zwar nicht ganz geheuer, aber ich bin bereit, mich für den Moment damit zu befassen“.

Wir erwarten oft viel zu viel von unseren Pferden, bevor wir ihnen unsere Zustimmung, unsere Anerkennung und unser Lob zukommen lassen.

Kleinschrittigkeit beginnt schon beim Gedanken, bei Offenheit, bei skeptischer Neugier.

Was ist mein Pferd gerade bereit, mir zu geben?
 

Und statt mehr und mehr zu fordern, bedanke ich mich für dieses Geschenk und gebe etwas zurück. So erschaffe ich im Pferd den Wunsch, mir erneut entgegenzukommen.

 

Es dem Pferd leicht machen

Click und Futter geben dem Pferd Informationen darüber, was es tun soll, um die Aufgabe zu lösen. Bei widerstreitenden Zielen von Mensch und Pferd müssen wir darüber hinaus darauf achten, es dem Pferd so leicht wie möglich zu machen.

Ich stelle mir hierzu eine Schwelle vor. Wie niedrig muss ich diese Schwelle ansetzen, damit das Pferd noch bereit ist, sie zu übertreten?

Wenn wir uns dem Ziel gemeinsam annähern und das Pferd dabei die Kontrolle über den Verlauf des Trainings hat, dann kann es dabei die Erfahrung machen, dass dieses Ziel gar nicht so schlimm ist, wie erwartet. Es erfährt, dass seine Emotionen beachtet werden und es seine Angst nicht ignorieren, sondern lediglich regulieren muss.

Mit jedem erfolgreichen (minimalen) Trainingsschritt verknüpfen wir auch die zuvor Unbehagen bereitende Aufgabe oder Umgebung mit der Erfahrung von Kontrolle, Erfolg und den damit einhergehenden positiven Emotionen.

Und irgendwann haben wir nicht mehr die Sorge, wie wir das Pferd in den Hänger bekommen, sondern wie wir es davon abhalten in jeden offenen Hänger steigen zu wollen ;).
 

Das Kooperationssignal

Wenn wir sichergehen wollen, dass das Pferd bereit ist, sich mit uns zusammen einer Aufgabe zu stellen, dann können wir auf ein Kooperationssignal zurückgreifen. Insbesondere im Medical Training (Training für medizinische Behandlungen) ist dieses Werkzeug sehr wertvoll. Doch auch bei anderen Aufgaben, die für das Pferd potenziell unangenehm sind oder mit denen es unschöne Erfahrungen gemacht hat, können wir das Kooperationssignal einsetzen. Damit geben wir dem Pferd bewusst die Kontrolle darüber, was mit seinem Körper geschieht.

Um ein Kooperationssignal einzuführen, setzen wir ein einfaches Verhalten vor die jeweilige Prozedur. Zum Beispiel kann ich mein Pferd die Sprühflasche berühren lassen, bevor ich die Mähne einsprühe. Wiederhole ich dies oft genug, lernt das Pferd, dass die Berührung der Flasche der „Startknopf“ für das Einsprühen ist.

Natürlich macht das nur Sinn, wenn das potenziell unangenehme Einsprühen für das Pferd anschließend mit wünschenswerten Konsequenzen (Click und Futter) verbunden ist.
 

Clickertraining macht unangenehme Aufgaben zu Chancen

 
Obwohl das Clickertraining so große Vorteile für den Umgang mit Schwierigkeiten zwischen Pferd und Mensch bietet, wird es noch viel zu selten in diesem Rahmen eingesetzt. Dabei können wir alle unseren Pferde über Werkzeuge des Clickertrainings so viel Kontrolle zurückgeben, ohne unseren Trainingserfolg einzuschränken.
 

 
Stattdessen erhalten wir auf diese Weise sogar Pferdepersönlichkeiten, die unangenehme Aufgaben als Chance betrachten und die sich ohne Druck und Drucksteigerungen kooperativ verhalten wollen – wir müssen ihnen nur noch die Möglichkeit dazu geben.

Doch natürlich gibt es auch (wie immer) Stolperfallen.

Um mit dem Clickertraining nicht mehr Probleme als Lösungen zu erschaffen, brauchen wir ein grundlegendes Hintergrundwissen. Falls du damit beginnen möchtest, dich in hier einzulesen, empfehle ich dir folgende unserer Blogbeiträge:
 


Basics Clickertraining: Höflichkeit und Futterlob
„Nur ein Klaps“ – Positive Strafe im Pferdetraining
Basics Clickertraining: Präzises Pferdetraining mit dem Markersignal


 

Der Einsatz von Futterlob ist leider noch immer nicht überall respektiert. Um wirklich mit positiver Verstärkung arbeiten zu können, müssen außerdem weitere Voraussetzungen erfüllt sein. Zum Beispiel, dass wir das Nein des Pferdes nicht übergehen und „positive Verstärkung“ im Zweifelsfall einfach durch Zwang ergänzen.

Die Verweigerung des Pferdes anzunehmen und zuzulassen erfordert manchmal die Überwindung unserer eigenen inneren Widerstände und den Widerständen unserer Mitmenschen. Und den Glauben daran, dass hinter der Verweigerung die ehrliche Zustimmung des Pferdes auf uns wartet.

Was wir alle tun können, ist beginnen zu lernen. Über das Lernverhalten und die Bedürfnisse der Pferde generell. Aber auch, indem wir unserem Pferd zuhören.

Welche Konflikte versuchst du gerade zwischen dir und deinem Pferd aufzulösen?
Wie könnten die Prinzipien des Clickertrainings dir dabei helfen?

Teile deine Gedanken und Fragen gern in den Kommentaren.
 

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