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Wieso dein Pferd NICHT longiert werden muss (auch wenn alle dazu drängen)

Soll ich mein Pferd longieren – ja oder nein?

Du zweifelst, obwohl andere Reiter*innen dir raten, dein Pferd endlich an die Longe zu hängen.

Dabei sind die Probleme, für die Longieren DIE Lösung ist, doch so vielfältig:

Dein Pferd bewegt sich zu wenig? → Longier es.
Dein Pferd ist nervös und bockt → Ablongieren, ist doch klar.
Dein Jungpferd muss aufs Reiten vorbereitet werden? → Dann muss es auch an die Longe.
Dein Pferd sollte Muskeln aufbauen? → Longenarbeit.
Dein Pferd ist zu dick? → Unbedingt longieren!

Wenn einer dieser Gründe genannt wird, aber du ein schlechtes Gefühl bei der Sache hast: Du darfst hinterfragen, ob Longieren wirklich die gesündeste Lösung für dein Pferd ist ❤️.

Denn:

Obwohl so gern zum Longieren geraten wird, ist herkömmliche Longenarbeit oft nicht das Mittel der Wahl.

 
Vielleicht hast du das schon im Gefühl und in dir sträubt sich etwas gegen das Longieren.

Lass uns dein Gefühl untermauern. Schauen wir uns die Vor- und Nachteile der Longenarbeit in Bezug auf die genannten Probleme anschauen.

Wichtig: Wenn ich von Longieren spreche, meine ich in diesem Artikel die herkömmliche Art, das Pferd an der Longe laufen zu lassen (womöglich noch mit Ausbindern), ohne dass der Mensch durch strategische Vorarbeit einen Hilfenrahmen nutzt, um das Pferd bei der Bewegung auf der Kreislinie anzuleiten.

Longierst du dein Pferd wie es z.B. in der Akademischen Reitkunst gelehrt wird – als Erweiterung der gymnastizierenden Bodenarbeit – kannst du hier gern weghören 😘.
 
 

DAS Problem mit der Longenarbeit

Longieren ist eine einfache Möglichkeit, um Pferde ohne Reitergewicht mehr zu bewegen.
 

Doch was den Rücken schont, belastet die Gelenke.

 
Auf einem Kreis zu laufen, ist für Pferde eine große Herausforderungen. Um das für eine längere Zeit gelenkschonend zu bewältigen, muss dein Pferd schon recht gut geradegerichtet sein und sich stellen und biegen können.

Je höher das Tempo, desto größer werden die Fliehkräfte. Wenn sich dein Pferd nicht biegt, dabei mehr Last mit dem inneren Hinterbein aufnimmt und die Schultern aufrichtet, fällt es spätestens im Trab und Galopp in den Kreis hinein. Wie ein Motorrad in der Kurve.

Muskulatur verspannt sich. Dadurch kann sie Stöße nicht mehr ausreichend abfedern. Die Gelenke werden gestaucht, schief belastet und schief abgenutzt. Wahrscheinlich scheint dein Pferd über viele Jahre damit klarzukommen. Aber früher oder später flattert doch die Rechnung ins Haus, wenn man es mit dem gut gemeinten Training an der Longe übertreibt.
 
 

Aber wenn es zu dick ist, muss dein Pferd doch longiert werden, oder?

Die Kreisbahn ist also ein großes Problem für die Gelenke. Besonders für ein schiefes, wenig ausgebildetes Pferd.

Grund genug, um aufs Longieren zu verzichten.

Bei stark übergewichtigen Pferden kommt das zusätzliche Gewicht hinzu. Dadurch werden die Gelenke ohnehin vermehrt belastet.

Menschen werden bei Übergewicht gelenkschonende Sportarten wie Radfahren oder Schwimmen empfohlen. Übergewichtige Pferde hängt man bei hohem Tempo an ein Seil und lässt sie im Kreis herumschleudern. Da kann etwas nicht stimmen.

Überlege zweimal, ob Longieren tatsächlich die beste Wahl ist, um dein Pferd “abzuspecken”. Sei besonders bei Jungpferden, älteren Pferden und Pferden mit Problemen im Bewegungsapparat vorsichtig!
 
 

Was du vor intensivem Bewegungstraining abklären solltest: Ist dein Pferd wirklich zu fett?

Nicht alles, was in unseren ungeschulten Augen wie Fett aussieht, ist auch eine Fetteinlagerung.

Viele Pferde lagern Lymphflüssigkeit in ihrem Bindegewebe ein – als Pölsterchen ebenso wie großflächig. Dadurch kann das gesamte Pferd massiger erscheinen.
 

Diese Flüssigkeit lagert der Pferdekörper ein, wenn er Giftstoffe oder Endprodukte des Stoffwechsels nicht abtransportieren kann.

 
Das ist z.B. bei KPU der Fall – einer Stoffwechselstörung, bei der Abfallstoffe den Körper nicht über die Niere verlassen können. Weil die Ursache von KPU in einer (z.B. durch die Fütterung) beeinträchtigten Darmflora besteht, betrifft diese Störung mehr Pferde als du vielleicht erstmal vermutest.

Die genauen Abläufe im Pferdekörper bei KPU kannst du hier nachlesen:

Factsheet Kryptopyrrolurie (KPU)

Der Pferdekörper hilft sich, indem er diese Stoffe ins Bindegewebe einlagert.

Das Problem mit der Longenarbeit bei KPU:

Bringst du den Lymphfluss “in Schwung” (z.B. durch Bewegung in schnellerem Tempo an der Longe), können diese Giftstoffe freigesetzt werden. Dein Pferd kann sie aber immer noch nicht abtransportieren! Damit schadest du deinem Pferd mit der Longenarbeit mehr als du hilfst.

Mehr zum Unterschied zwischen tatsächlich fetten und lymphatischen Pferden kannst du bei Kim Lagler nachlesen. (Sie ist Stoffwechseltherapeutin und hilft uns sehr erfolgreich dabei, Nathan zu einem gesünderen, zufriedeneren Pony zu machen.)

Fett oder Lypmhe? (Hier erfährst du auch, wie unterschiedlich das Training fetter und lymphatischer Pferde gestaltet werden sollte.)

 
 

Aber hilft Bewegung an der Longe nicht beim Abspecken des Pferdes?

Ist dein Pferd wirklich zu dick, muss dieses Problem ganzheitlich gelöst werden. Bewegung allein reicht oft nicht aus. Denn:

Wie viel Bewegung kannst du tatsächlich gewährleisten?

Ist der Energiegehalt im Heu oder Gras viel zu hoch, wird es schwer bis unmöglich, dagegen anzutrainieren. Bewegt dein Pferd sich zudem durch die Haltungsform kaum, wirst du das schwerlich ausgleichen können. Insbesondere, wenn der Stoffwechsel bereits Schaden genommen hat.

Was du beachten musst, wenn du dein Pferd abspecken soll, hat Kim hier erklärt:

Gewicht reduzieren – aber gesund

Longenarbeit kann in diesem Fall unterstützen. Sie geht aber mit einer hohen Belastung des Bewegungsapparates einher. Insbesondere, wenn du dein Pferd in so hohem Tempo lange genug bewegen willst, um einen Unterschied für seine Energiebilanz zu machen. Und zwar täglich über einen langen Zeitraum hinweg.

Langfristig schaffst du dir damit an anderen Stellen Probleme.

Deshalb möchte ich dir unbedingt ans Herz legen, den körperlichen Zustand deines Pferdes ganzheitlich zu betrachten 🙏:

Welche Vorgänge des Stoffwechsels sind gestört?
Passt der Energiegehalt im Grundfutter (Heu und Weide)?
Regt die Haltung zur Bewegung an?
Ist dein Pferd übermäßigen Stressoren ausgesetzt?

 
 

Lohnt es sich, dem Pferd an der Longe Bewegung zu verschaffen?

Durch GUTE Longenarbeit kannst du deinem Pferd ein gesundes Mehr an Bewegung verschaffen.

Steht dein Pferd aber in der Box oder auf einem kleinen Paddock, kannst du allein an der Longe auch nicht für ausreichend Bewegung sorgen.

Viel wichtiger ist hier: Haltung optimieren, damit dein Pferd sich selbstbestimmt bewegen kann. Und dazu auch an den 23h am Tag angeregt wird, die du nicht da bist.

Bestimmt hast du von den 16-30km gehört, die wild lebende Pferde am Tag im Durchschnitt zurücklegen. Diese Zahlen können ganz schön Druck machen.

Aber dass wildlebende Tiere etwas tun, bedeutet nicht zwangsweise, dass jedes Tier genau das braucht, um ein gesundes Leben führen zu können!

Hier kannst du Gedanken zu diesem Thema (abgeleitet aus den Beobachtungen von Wildpferden) von Marc Lubetzki nachlesen:

Pferdehaltung aus Sicht der Pferde

Bewegung trägt zur Gesunderhaltung bei. Aber es müssen wahrscheinlich nicht die 16km am Tag sein, damit dein Pferd gesund alt werden kann. Setz dich also nicht zu sehr unter Druck. Versuche stattdessen den Punkt zu finden, an dem es deinem individuellen Pferd gut geht.

Und: Um Strecke zu machen ist Longieren nicht das Mittel der Wahl. Das ist durch Spaziergänge und Wanderungen viel natürlicher und gesundheitsförderlicher möglich.
 
 

Musst du dein Pferd vor der Arbeit ablongieren, um es auszupowern?

Ich habe bisher wenig Offenstallpferde kennengelernt, die ablongiert werden müssen, um sich im Training konzentrieren zu können.

Hat dein Pferd zu viel Bewegungsdrang, gilt erstmal, die Haltungsform zu hinterfragen. Vielleicht kannst du hier schon optimieren.

⚠️ Ablongieren – also das Pferd im Kreis und unter Stress rennen lassen – ist wahrscheinlich das schädlichste, was wir für den Bewegungsapparat so tun können. Und birgt ein großes Verletzungsrisiko!

Wenn dein Pferd sich trotz der Möglichkeit frei zu toben und sich zu bewegen im Training rumspackt, nervös ist und auffällig viel Bewegungsdrang hat, gibt es vielleicht ein gesundheitliches Problem.

Besitzer*innen von Pferden mit PSSM2 berichten z.B. dass diese Pferde phasenweise deutlich schreckhafter und nervöser sind und einen erhöhten Bewegungsdrang haben.

Bei allen Argumenten, die gegen das Ablongieren sprechen: In Ausnahmefällen geht es vielleicht nicht anders. Bei jeder Entscheidung müssen wir als Pferdebesitzer*innen die Vorteile gegen die Nachteile und Gefahren abwägen. Nimm meine Gedanken als Unterstützung für die Entscheidungsfindung und nicht als Vorschriften.
 
 

Brauchst du Longieren zum Muskelaufbau und als Reitvorbereitung beim Jungpferd?

Um dein Jungpferd aufs Reiten vorzubereiten, willst du nicht irgendwelche Muskeln aufbauen. Sondern die richtigen.

Das geht nur, wenn du Hilfen geben kannst. Denn Hilfen helfen deinem Pferd dabei, in den Bewegungsablauf zu finden, den du dir später unter dem Sattel wünschst.

An der Longe solltet ihr dafür aber schon Expertenniveau in körpersprachlicher Kommunikation und Hilfengebung haben. Mit deinem Jungpferd bist du wahrscheinlich noch nicht auf diesem Stand. Und das müsst ihr auch nicht sein.

Sinnvoll für den Anfang ist die gymnastizierende Bodenarbeit, z.B. am Kappzaum. Hier bist du näher am Pferd und kannst Bewegungsabläufe leichter beeinflussen. Und dir die Hilfengebung und Kommunikation erarbeiten, die ihr später für gesundes Longieren nutzen könnt.
 
 

Aber lässt sich die Muskulatur beim Jungpferd nicht am besten durch Trab und Galopp aufbauen?

Falls du dir Sorgen machst, dass dein Pferd ohne Trab und Galopp keine Muskulatur aufbauen wird:

Muskelaufbau ist auch im Schritt möglich.

Und es gibt andere gute Neuigkeiten:

Der größte Kraftzuwachs erfolgt nicht durch Muskelwachstum, sondern schon viel früher. Und zwar dadurch, dass sich die Aktivität im Nervensystem verändert.

Bei guter Ausbildung verändert sich, welche Muskeln dein Pferd zu welchem Zeitpunkt wie ansteuert.

Das erkennst du am verbesserten Bewegungsablauf.

Wenn höheres Tempo dazu führt, dass dein Pferd den Kopf hochreißt und den Rücken festhält, ist Schritt die bessere Wahl. Bereite dein Pferd in langsamen Tempo auf die höheren Gangarten vor. Denn es soll auf keinen Fall lernen, den Rücken dauerhaft festzuhalten.
 
 

Achtung! Weshalb du beim Jungpferd noch 100 Mal vorsichtiger sein solltest

Beim Jungpferd ist aus einem weiteren Grund Vorsicht geboten. Jana hat ihn in ihrem Artikel “Jungpferd – Achtsamer Start statt Zeitplan und Druck” erklärt:

„Das Schließen der Wachstumsfugen sowie der vollständige Zahnwechsel vollziehen sich etwa bis zum 6. Lebensjahr. Die Entwicklung verläuft von unten nach oben, das bedeutet dass sich die Beinwachstumsfugen zuerst schließen, dann die Wirbelsäule.
Das Becken besipielsweise ist erst mit 3-4 Jahren vollständig verwachsen. Vor diesem Alter besteht es aus zwei getrennten (!) Hälften, die erst noch miteinander verwachsen müssen.

Diese getrennten Beckenhälften werden bei vielen Pferde leider bereits deutlich vor 3 Jahren regelmäßig großer Belastungen ausgesetzt, z.B. dadurch, dass sie in hohen Gangarten longiert und auf gebogenen Linien trainiert werden. Diese Tatsache sollte uns zu denken geben.”

Biegende Arbeit (also Bewegung auf der Kreislinie) stellt für Pferde eine besondere Anforderung dar. Die unausgereiften Strukturen des Jungpferdes können hier nachhaltig Schaden nehmen, wenn Longenarbeit genutzt wird, um dem Pferd “Bewegung zu verschaffen”.
 
 

Fällt es dir immer noch schwer bei deiner Entscheidung zu bleiben, wenn andere dir raten, dein Pferd zu longieren?

Viele der Gründe, die ich gegen das Longieren genannt habe, kanntest du schon, oder? Und dennoch fällt es dir schwer, dagegenzuhalten, wenn andere drängen, dein Pferd regelmäßig zu longieren, damit es abnimmt, sich mehr bewegt oder Muskeln aufbaut.

Es ist gut, sich und seine Entscheidungen zu hinterfragen.

Aber irgendwann hast du genug gegrübelt und hinterfragt. Das Problem ist dann nicht mehr die Frage, ob die Entscheidung richtig ist. Das Problem ist dein Selbstvertrauen.

Selbstvertrauen, von dem andere Reiter*innen ganz schön viel abbekommen zu haben scheinen. Leg deinen Fokus also auf diese Frage:

Wie kannst du hinter DEINEN Entscheidungen stehen?

 

Nimm nicht jeden Kommentar von außen als Anlass, alles in Frage zu stellen, was du tust.

 
Manchmal muss man sich darin richtiggehend üben. Wieder und wieder. Selbstvertrauen ist nicht etwas, das man einfach hat. Sondern auch etwas, das man aktiv tut.

Wenn du mehr Tipps zum Umgang mit ungefragten Ratschlägen brauchst, wirst du in diesem Artikel fündig (auch als Nicht-Jungpferde-Besitzer*in):

Dein Jungpferd sanft ausbilden: Wie du mit gut gemeinten Ratschlägen umgehst

 
 

Longenarbeit soll dein Pferd eigenständiger in seiner GESUNDEN Bewegung machen.

Und es nicht irgendwie im Kreis rennen lassen. Dafür musst du mit deinem Pferd kommunizieren können. Mit deinen Hilfen tatsächlich hilfreiche Vorschläge machen. Und das Körpergefühl deines Pferdes verbessern – sonst geht bald die Motivation flöten.

An diesen Elementen basteln wir am liebsten schon in der gut durchdachten Bodenarbeit. Sitzt die Kommunikation, Hilfengebung und das Körpergefühl, dann musst du nämlich nur noch eines tun:

Den Abstand zu deinem Pferd vergrößern ✨.

Wenn du daran mit uns arbeiten möchtest, schau dich mal hier um:

Unsere 2:1-(Jana, ich und vielleicht du 🧚…?)-Angebote

 

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