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Was dich davor bewahrt, deinem Pferd mit der falschen Übung zu schaden

 
Würdest du gerne immer genau wissen, ob das was du tust, für dein Pferd gerade wirklich gut ist? Keine Unsicherheit verspüren, weil du stets genau weißt, mit welchen Plänen und Übungen du die Entwicklung deines Pferdes fördern kannst? Weil du es ENDLICH geschafft hast, alle Bücher zu lesen, jede Trainermeinung zu verstehen und die komplexe Theorie geknackt hast?

Kleiner Spoiler – das ist ein netter Gedanke, aber in der Realität eine Utopie.

Es gibt jedoch eine Kerneigenschaft, die du dir aneignen kannst und die dir dabei hilft, weniger oft verloren zwischen all den Tipps, Tricks und Geheimübungen zu stehen und dich insgeheim zu fragen: “Ist das WIRKLICH das richtige?”

Sie ist unattraktiv und hat leider zu unrecht einen schlechten Ruf.

Ich spreche von: Zurückhaltung.
 
 

So schadet fehlende Zurückhaltung deinem Pferd unmittelbar

Auf Instagram sprechen wir gerne vom #Fehlermut. Dem Mut, Fehler zu machen und Dinge später anders machen zu wollen, als man sie ursprünglich gemacht hat. Jedoch haben wir bisher noch nicht darüber gesprochen, dass der Fehlermut einen Gegenspieler braucht, um gesund zu sein.
 

Das ist die Zurückhaltung.

 
Damit ist nicht unbedingt diejenige Zurückhaltung gemeint, die durch verkopftes Überdenken ihren Klammergriff um jegliche Handlungsfähigkeit legt – sondern die weise, bedachte und überlegte Form der Zurückhaltung, die der Handlungsfähigkeit und dem Fehlermut einen vernünftigen Rahmen gibt.

Sich zurückzuhalten und nicht gleich jede Idee unreflektiert einfach nachzumachen, nur weil alle das so machen, ist keine Form von Schwäche, sondern kann ganz unmittelbar dein Pferd davor bewahren, echten Schaden zu erfahren.
 

Ein paar Beispiele gefällig, bei denen Zurückhaltung schützen würde?

 
Der unechte Seitengang, der das Pferd zwingt im Rücken zu verspannen und die Schiefe in den unteren Gelenken zu kompensieren.
– Das lockere vorwärts-abwärts beim trageerschöpften Pferd mit weichem Bindegewebe, das den abgesunkenen Brustkorb weiter absinken lässt.
– Das Galopptraining für das unausbalancierte Lungen-Pferd, das sich durch den starken Aufprall in der Einbeinstütze die Fesselträger kaputt läuft.

Alles gut gemeinte Übungen, die vielleicht zu einem anderen Zeitpunkt, unter anderen Umständen oder bei einem anderen Pferd von Nutzen sein können, richten jedoch in obigen Fällen unmittelbare – und wenn sie unentdeckt bleiben – sogar langfristige Schäden an.

Arthrose, Spat, immer wiederkehrende Blockaden, Verspannungen und Sehnenprobleme sind nicht selten hausgemacht.

Tipps, die wir ohne weiteres durch Google, YouTube und Facebook einholen können, bedeuten für unsere Pferde öfter als gedacht, dass wir Öl ins Feuer der körperlichen und geistigen Herausforderungen gießen.
 

Die falsche Übung zum falschen Zeitpunkt bewirkt genau das Gegenteil von dem, was wir erreichen wollen – und kann langfristig bleibende Schäden verursachen.

 
Doch was tun, wenn die richtige Wahl der Übungen scheinbar so hoch komplex und ja, auch ein Stück weit gefährlich ist?
 
 

Nicht die Übungen sind das Problem

Zu entscheiden, ob eine Übung per se gut oder schlecht ist, ist unmöglich.

Jedoch wird genau das getan. Ein Artikel sagt: “10 Übungen für einen starken Rücken”, von denen vielleicht 8 für dein spezielles Pferd gerade geistig oder körperlich nicht machbar oder sogar schädlich sind, können für mein Pferd vielleicht genau das Puzzleteil sein, das mir gefehlt hat.

Nicht der Artikel liegt falsch, sondern wir liegen falsch. Indem wir versuchen mit unzureichendem Wissen wichtige Entscheidungen zu treffen.

Eine Übung ist per se erstmal nur ein Weg, um ein gewisses Verhalten zu erarbeiten. Die wichtige Frage, die du dir stellen müsstest ist: “Welche Ausbildungsschritte machen für die körperliche und geistige Entwicklung meines Pferdes in welcher Reihenfolge Sinn?”

Du merkst sicher selbst, dass diese Frage deutlich schwieriger zu beantworten ist, als die Frage nach “Welche Übungen gibt es für [Thema]?” Das zu beantworten ist nicht sonderlich schwer.

Um jedoch die obige Frage zu beantworten brauchst du vor allem eines:
 

Expertenwissen.

 
Immer dann, wenn du dich fragst, was du da gerade eigentlich tust UND darauf keine Antwort findest, kannst du dir sicher sein, dass du auf diesem Gebiet noch kein ausreichendes Expertenwissen hast.

Was tun also die meisten?

Sie verlassen sich auf das, was andere Expert*innen ihnen sagen.

Ist das also die Lösung?
 
 

Das Problem mit Experten

Das Problem mit diesem Vorgehen besteht darin, dass auch jemand den wir als Experten wahrnehmen, nicht unbedingt mehrdimensionales Wissen hat, sondern im Regelfall auf einem Gebiet Spezialist geworden ist.

Wenn unsere Themen und die unserer Pferde zufälligerweise in das Spezialgebiet dieses Experten fallen, dann kann die Meinung und die Aussage dieser Person genau das sein was wir brauchen, um voranzukommen.

Doch was, wenn das Spezialgebiet eines Menschen gar nicht zu unseren Fragen passt – der Expertenstatus uns aber dazu verleitet, an falscher Stelle auf dessen Rat zu vertrauen?

Lass uns dazu ein Beispiel anschauen:

Wenn du deine auf Gehorsam spezialisierte Horsemanship-Trainerin nach möglichen Ursachen für die fehlende Ganglust deines Pferdes befragst, wird sie dir vielleicht raten, es mit Dominanzübungen und mehr Druck zu probieren. Stellst du dieselbe Frage deiner Ostheopathin wird diese dich vielleicht eher auf die blockierten Wirbel und daraus resultierende Schmerzen hinweisen, wohingegen eine Stoffwechselexpertin dich über die Möglichkeit von in die Muskulatur eingelagerten Giftstoffen aufklären wird. Jemand mit Intrinzen-Hintergrund wird etwas von angezogenen Handbremsen erzählen, während ein Clickertrainer dich dazu anregen wird, über kleinschrittige Shapingprozesse nachzudenken.

Na, raucht dein Gehirn schon?

Jeder Experte kann nur durch seine Brille auf dein Problem schauen. Niemand kennt das ganze Bild. Experten wie Laien erschaffen stattdessen ein Bild, das ihr Wissen und ihre Erfahrungen widerspiegelt*. Daher ist es auch nicht die “Schuld” von Expert*innen, wenn du dir unsicher bist oder du falsche Entscheidungen triffst.

Es gibt jedoch etwas, das du tun kannst, wenn du dir weder sicher bist, ob der Ratschlag eines Experten gerade wirklich für euch passt, noch welche Übung du wählen sollst. Etwas ganz praktisches, das viel Mut und Selbstdisziplin erfordert.
 

Du kannst dich zurückhalten.

 
Das hört sich erstmal nicht besonders zielführend an, aber bleib dran. Darauf kommen wir noch zurück.

*Ein guter Experte sollte natürlich erkennen, wenn seine Lösungen nicht zum vorliegenden Problem passen und entsprechend an andere Fachleute überweisen.
 
 

Der Schlüssel für Klarheit und tiefes Wissen

Es mag unattraktiv sein, sich einzugestehen, dass man etwas nicht beurteilen kann. Aber ganz ehrlich: Hochmut kommt vor dem Fall.

Ein psychologischer Effekt besagt, dass unser Wissensstand nicht proportional zu unserem Selbstbewusstsein ansteigt (das kannst du unter Dunning-Kruger Effekt selbst nachlesen). Besonders zu Anfang unseres Lernens sind wir vorschnell von uns überzeugt und davon, dass wir es richtig machen. Wir wissen wenig und vertrauen diesem wenigen Wissen viel an.

Fehlermut ist hier unangebracht – zumindest dann nicht, wenn wir wichtige Entscheidungen treffen, die die Manipulation eines anderen Körpers und die Beeinflussung eines für sich eigenständigen Geistes betreffen.
 

Dazu müssen wir fähig sein, den Zustand des Nicht-Wissens zu halten.

 
In dem Wissen, dass wir dadurch die Pferde schützen. Vor übereilten, falschen Entscheidungen. Vor Überlastung. Vor Überforderung. Das zu können ist eine elementare Stärke, in einer Welt in der scheinbar jeder alles weiß.

Wenn du noch im Zweifel bist, schalte lieber einen Gang runter. Reduziere den möglichen Schaden – z.B. durch viel Abwechslung im Training und “verschleißarme” Aufgaben (viel gerade Linien, niedriges Tempo, ins Gelände gehen).

Begib dich zeitgleich auf die Suche, um dein Wissen zu vertiefen. Beziehe neue Perspektiven mit ein, hinterfrage alte. Lerne von anderen Menschen, traue dich andere Meinungen einzuholen, egal wie “expertig” die Person ist, von der du bisher gelernt hast.

Was würde eine Person einer anderen Fachrichtung zu deiner Frage sagen? Aus einer anderen Ausbildungsrichtung? Wie viele verschiedene Perspektiven kannst du entdecken?

Mit jeder Perspektive, die du zugleich wahrnehmen kannst, wird dein Bild vollständiger. Mit jeder Perspektive wirst du ein weiteres Puzzleteil dazugewinnen, das dir erlaubt, bessere Fragen zu stellen oder die passenden Spezialisten ins Boot zu holen.

Traue dich zu sagen, dass du etwas nicht weißt. Ziehe eine Konsequenz daraus. Halte dich zurück, ehe du wichtige Entscheidungen vorschnell triffst. Und dann sammle, lerne und hinterfrage, bevor dich die Handlungsfähigkeit anstupst und sagt: “Lass es uns jetzt probieren…”
 

Denn es braucht beides: Fehlermut und Zurückhaltung.

 
Es braucht beides, um deinem Pferd kurz- und langfristig die Entfaltung zu ermöglichen, die du dir für es wünschst.

Wie so oft, liegt die Wahrheit und die Klarheit irgendwo in der goldenen Mitte.
 

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